Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung.....................................................................................................S. 2

2. Alkohol als Suchtmittel .................................................................................S. 4

2.1 Was ist Alkohol ?..............................................................................S. 4

2.2 Was bewirkt Alkohol allgemein?........................................................S. 5

2.3 Was bewirkt Alkohol beim Süchtigen ?............................................. S. 6

2.4 Alkoholbedingte körperliche Schäden ..............................................S. 7

2.4.1 Gehirn................................................................................ S. 7

2.4.2 Nervensystem ....................................................................S. 7

2.4.3 Herz und Kreislauf ..............................................................S. 7

2.4.4 Leber ................................................................................S. 7

2.4.4.1 Fettleber ..............................................................S. 7

2.4.4.2 Alkohol – Hepatitis................................................ S. 8

2.4.4.3 Leberzirrhose .......................................................S. 8

2.4.5 Impotenz...........................................................................S. 8

2.4.6 Diabetes........................................................................... S. 8

2.4.7 Alkoholdelirium (Delirium tremens) .....................................S. 8

2.5 Alkoholbedingte psychische Schäden............................................ S. 9

2.5.1 Halluzinationen, Angstzustände, Depressionen................... S. 9

2.5.2 Eifersuchtswahn................................................................ S. 9

3. Meine Fallstudie........................................................................................ S. 9

3.1 Olafs Vorgeschichte...................................................................... S. 10

3.2 Die Voralkoholische Phase ...........................................................S. 10

3.3 Die Anfangsphase........................................................................ S. 11

3.4 Die kritische Phase...................................................................... S. 12

4. Wie lebt (m)ein trockener Alkoholiker?............................................ S. 17

4.1 Der (Lebensmittel - ) Einkauf ...............................................S. 17

4.2 Das Feiern mit Freunden oder Arbeitskollegen.................... S. 17

4.3 Die Arbeitsstelle................................................................ S. 18

5. Bewertung des Jellinek – Schemas......................................................... S. 18

6. Schluß.................................................................................................... S. 19

7. Anhang ..................................................................................................S. 20

 

 


 

1. Einleitung

In meiner Facharbeit behandele ich das Thema Alkoholismus mit seinen physischen und psychischen Wirkungen sowie eine Fallstudie. Diese Wahl traf ich nicht zufällig, sondern aufgrund meiner Erfahrungen, die ich während meines Berufspraktikums.(...) Ich arbeitete in einer Therapieklinik (...) für Alkohol – und Medikamentenabhängige, wo ich die Möglichkeit erhielt, an der Gruppentherapie quasi als "Patient" teilzunehmen. Ich stellte schon früh fest, daß ich eine völlig falsche Meinung über diese Sucht hatte. Diese Feststellung animierte mich, den Alkoholismus in einer Facharbeit genauer zu betrachten. (...)

Der erste Bereich behandelt die biologischen Grundlagen für die Alkoholkrankheit. Zunächst werde ich einige allgemeinere Informationen zum Alkohol als Suchtmittel (Punkt 2) geben. Dabei werde ich aber nicht näher auf die Gründe eingehen, warum getrunken wird. Zwar werde ich erklären, wann man von einer Alkoholerkrankung spricht, nicht aber die unterschiedlichen Typologien dieser Krankheit. Da sich diese nur in ihren Motiven oder in der Verteilung von Trink – und Abstinenzphasen unterscheiden, ist ihre Erklärung für den Gesamtkontext nicht nötig. Es folgt eine Erklärung, was Alkohol, chemisch gesehen, überhaupt ist (2.1). Als nächstes werde ich dann die allgemeine Wirkungsweise des Alkohols erläutern (2.2), anschließend die Wirkung bei einem Süchtigen, soweit diese erforscht ist (2.3). Nicht erläutern werde ich die Frage, warum einige Menschen vom Alkoholgenuß süchtig werden, während andere jahrelang trinken, ohne zu erkranken. Dieses Gebiet ist noch zu wenig erforscht, um eine klare Antwort zu geben. Ein Erklärungsversuch würde nur in zum Teil widersprüchlichen Spekulationen enden. Zuletzt werde ich physische (2.4) und psychische Schäden (2.5) aufzeigen. Dabei werde ich mich, um den Rahmen meiner Facharbeit nicht zu sprengen, nur mit den bekanntesten und häufigsten Schäden befassen. Informationen zu weiteren Schäden befinden sich im Anhang .

Der zweite Teil meiner Arbeit ist die Untersuchung eines Fallbeispiels. Ich habe den Werdegang eines Alkoholikers untersucht (3.1 – 3.3) und welche Auswirkungen seine Krankheit auf sein heutiges Leben hat (4. – 4.3.) Seine Krankheitsgeschichte versuchte ich anhand des Jellinek -Schemas nachzuvollziehen, das als therapeutisches Material in der Klinik eingesetzt wird. Es beschreibt die Entstehung der Alkoholsucht, gegliedert in 4 Phasen und 45 Stufen. Das Schema, das ich benutzte, habe ich damals aus meinem Praktikum mitgenommen. Es handelt sich somit nicht um das vollständige Schema, wie es der amerikanische Professor Jellinek ursprünglich entworfen hat, sondern um eine, für die Therapie vereinfachte Zusammenfassung. Den Abschluß meiner Arbeit bildet eine Bewertung des Jellinek – Schemas (5), ob sich seine Theorie in der "Suchtkarriere" meines in meiner Fallstudie beobachteten Alkoholikers bestätigt, sowie seine Effektivität in Therapie und Prävention.


2. Alkohol als Suchtmittel

Seit der Mensch den Alkohol entdeckt hat, weiß er um seine besondere Wirkung. Alkohol macht lustig, enthemmt, beruhigt oder macht munter. Es sind gerade diese Wirkungen, die den Alkohol so beliebt machen, daß er sich in manchen Situationen einfach etabliert hat - man denke nur an das obligatorische Glas Sekt an Silvester oder das Anstoßen mit alkoholischen Getränken zu besonderen Anlässen, wie Geburtstag, Beförderung etc. – und hat nicht umsonst den Beinamen "Gesellschaftsdroge" erhalten. Das der Alkohol in seiner Gefährlichkeit noch von zu wenigen Menschen erkannt wird, liegt an einer Besonderheit, die ihn von anderen Drogen unterscheidet. Im Gegensatz zu den bekannten illegalen Drogen wie Kokain macht Alkohol nicht jeden süchtig, d. h. psychisch und physisch oder nur psychisch abhängig, denn sonst würde die Zahl der Süchtigen, trotz Dunkelziffer, beträchtlich höher liegen. Zudem führt der Alkoholgenuß nicht, wie bei vielen anderen Drogen, schon nach der ersten Einnahme zur Sucht, sondern diese stellt sich langsam ein. Deshalb zählt die Alkoholsucht zu den Prozeßerkrankungen, wie auch Krebs oder AIDS, und ist besonders zu Anfang nur sehr schwer zu diagnostizieren.

Von einer Erkrankung spricht man im allgemeinen dann, wenn der Trinkende die Kontrolle über den Alkohol verliert . Das heißt, daß er, hat er erst einmal angefangen zu trinken, die Trinkmenge nicht mehr kontrollieren kann. Der Trinkende trinkt mehr als er ursprünglich wollte, auch wenn dieses "mehr" unangenehme Konsequenzen für ihn hat. Mit diesem Kontrollverlust tritt eine irreversiblen Alkoholerkrankung ein, der Alkoholiker kann Zeit seines Lebens nicht mehr gemäßigt trinken.

Diese Erkrankung darf man nicht mit dem Alkoholabusus verwechseln, zu dem es auch ohne Erkrankung kommen kann. Von Alkoholabusus spricht man dann, wenn der Alkohol gezielt als Mittel mißbraucht wird, um z. B. Hemmungen abzubauen. Im Gegensatz zum Alkoholiker kann der Alkoholmißbrauchende aus eigener Kraft mit dem Trinken aufhören, sobald sich für ihn daraus negative Konsequenzen ergeben. Der Mißbrauchende kann auch in Zukunft kontrolliert trinken.

2.1 Was ist Alkohol ?

Alkohole (Alkanole) sind Kohlenwasserstoffverbindungen. Sie enthalten eine oder mehrere Hydroxylgruppen ("OH" – Gruppe), durch die sie in ihrer Wertigkeit gekennzeichnet sind (z. B. "zweiwertiger" Alkohol bei zwei OH – Gruppen).

Auf natürliche Weise entsteht Alkohol durch die alkoholische Gärung von Bakterien oder Pilzen wie z. B. den Hefepilzen. Dabei wird Zucker unter Ausschluß von Sauerstoff zu Alkohol, meist Ethanol und CO2 dissimiliert. Solche natürlichen Vorgänge nutz z. B. die Bierindustrie um ihren Trinkalkohol herzustellen. Doch kommt der Alkohol in der Natur nie in einer höheren Konzentration als 15% vor, da die Organismen sonst sterben würden.

Alkohole können auch synthetisch hergestellt werden. Sie werden hauptsächlich als Lösungsmittel verwendet, man findet sie deshalb oft in Hustensäften und anderen flüssigen Medikamenten.

Für den Menschen ist der Alkohol, bzw. das Abbauprodukt Acetaldehyd, ein Zellgift und wird in der Leber abgebaut. Dort oxidiert das Enzym Alkohol- Dehydrogenase den Alkohol zu Acetaldehyd, welches wiederum durch die Acetaldehyd- Dehydrogenase zu Acetat umgewandelt wird, daß im Acetyl- Coenzym A gebunden wird.

2.2 Was bewirkt Alkohol allgemein ?

Alkohol verändernd in erster Linie die Stimmung. Dabei wirkt er in kleineren Dosen erregend, bei höherer Dosierung hemmend. Der Trinkende fällt zunächst in einen euphorischen Zustand, den man auch "Rausch" nennt, dieser kann bei weitere Einnahme von Alkohol schließlich in Ermüdung enden. Es gibt zwar einige Theorien, wie Rausch und Ermüdung zustande kommen, bis jetzt gilt aber noch keine als bewiesen.

Eine Erklärungsmöglichkeit ist diese: "Der Rauschzustand ist möglicherweise darauf zurückzuführen, daß das Ethanol mit den Molekülen von Neuromembranen reagiert und ihre Permeabilität verändert. Außerdem wird wahrscheinlich die Aktivität der Ionenpumpe gehemmt." . Eine Permeabilitätsveränderung an den Axonen würde eine Beeinträchtigung der spannungsgesteuerten Natrium- und Kaliumporen verursachen. Die Beeinträchtigung kann entweder eine Öffnung oder Schließung für die Dauer des Rausches bedeuten. Bleiben die Poren dauerhaft offen, würden Ionenströme das Ruhepotential des Axons ausgleichen. Ohne Ruhepotential wird auch die Entstehung eines Aktionspotentials verhindert. Können sich die Poren nicht mehr öffnen, wird der lonenaustausch verhindert, auch dann kann kein Aktionspotential entstehen. Eine Herabsetzung der Permeabilität an den Synapsen, könnte eine Schließung der Calciumporen bedeuten. In diesem Falle würde es trotz Aktionspotential nicht zur Entleerung der synaptischen Bläschen kommen, da diese nur bei Einströmung von Calcium mit der präsynaptischen Membran verschmelzen. Erst durch diesen Vorgang werden die Neurotransmitter in den synaptischen Spalt entleert. Es könnte auch sein, daß Ethanol die Calciumporen nicht beeinflußt, dafür aber die Verschmelzung und Entleerung der synaptischen Bläschen an der präsynaptischen Membran selbst hemmt. Ein anderer Angriffspunkt des Ethanols ist die Ionenpumpe in der Axonmembran. Diese transportiert Natriumionen ins Außenmedium, Kaliumionen nach innen ins Axon. Dadurch hält sie das Ruhepotential aufrecht und stellt dieses nach dem Entstehen eines Aktionspotentiales wieder her. Hemmt das Ethanol die Ionenpumpe, wird das Ruhepotential nicht aufrecht erhalten, folglich kann auch kein Aktionspotential gebildet werden. Die oben genannten Beeinflussungen eines Neurons durch Ethanol sorgen dafür, daß dieses keine Informationen mehr weitergeben kann, da die Weiterleitung der Aktionspotentiale verhindert wird. Dabei scheint Alkohol zunächst die hemmenden Neuronen zu beeinflussen, erst bei höherer Alkoholkonzentration auch die erregenden.

Eine andere Theorie besagt, daß Ethanol vielleicht den Abbau der Neurotransmitter hemmt, wodurch die Erregungsdauer verlängert würde. Ebenso wandelt es die Metabolite wahrscheinlich in tryptophanähnliche Stoffe um, die in größeren Mengen schlaffördernd wirken .

Beide Theorien bieten eine mögliche Erklärung, konnten aber, wie schon erwähnt, noch nicht bewiesen werden.

2.3 Was bewirkt der Alkohol bei dem Süchtigen ?

Wie andere Suchtformen ist auch die Alkoholsucht auf eine Störung im Belohnungszentrum des Gehirns zurückzuführen. Dieses Zentrum befindet sich im limbischen System, welches in der Basis des Großhirns liegt. Das limbische System ist für Gefühle und emotionales Verhalten verantwortlich, sowie die Verknüpfung eines bestimmten Gefühls mit einem passenden Erlebnis . "Das Belohnunssystem ist in vier kugeligen Gewebskernen (Nuclei) und davon ausgehenden markanten Nervenfaserbahnen lokalisiert. Die Nervenzellen dieses Systems vermitteln die verstärkenden und motivierenden Effekte von Neurotransmittern wie Dopamin, Noradrenalin, Serotonin und körpereigener (endogener) Opioide. Durch Ausschüttung dieser Stoffe kommt es zu Euphorie."

Beim Abbau von Alkohol können sich wahrscheinlich aus Neurotransmittern opioidähnliche Moleküle entwickeln, die dann wie körpereigene Opioide zur Euphorie führen können.

Alkohol wirkt wahrscheinlich auch an den Gehirnmorphine. Diese sind Endorphin und Enkephalin, die für das Wohlbefinden des Menschen eine wichtige Rolle spiele. Beide Stoffe können an die Morphinrezeptoren von schmerzleitenden Nervenzellen im Gehirn anbinden und so die Ausschüttung der Transmitter verhindern, somit wird die Weiterleitung des Schmerzes unterbrochen.

Alkohol kann wahrscheinlich auch hier zur vermehrten Ausschüttung dieser Gehirnmorphine führen.

Man vermutet, daß exzessiver Alkoholgenuß über längere Zeit die Fähigkeit der Nerven zur Freisetzung eines Stoffes stört, den das Gehirn zur Herstellung von Endorphin benötigt. Diese Störung bewirkt, daß der Süchtige in einer dauerhaft schlechten Stimmung bleibt. Um wieder in den euphorischen Zustand zu gelangen, trinkt er erneut Alkohol, der den Mangel an Endorphinen ausgleicht.

Da mit zunehmendem Alkoholgenuß aber die Verträglichkeit, d.h. die Geschwindigkeit, mit der der Alkohol abgebaut wird, steigt, muß immer mehr Alkohol eingenommen werden, um in Euphorie zu geraten.

Der Alkoholiker lernt, daß der Alkoholgenuß ihn glücklich macht.

Diese Verbindung von Alkohol und guter Stimmung wird auch auf neuronaler Ebene gespeichert. Anscheinend führt das Einprägen eines Verhaltens –oder Erlebnismuster, also auch die positiven Erlebnisse mit Alkohol, in einigen Gehirnbereichen zu Endorphinausschüttung. Das heißt, das schon der bloße Gedanke ans Trinken zu Endorphinausschüttung führen kann. Diese führt dazu, daß bei dem Süchtigen das Verlangen nach Alkohol gesteigert wird, so daß es auch nach längeren Trockenphasen zum Trinken kommt.

In diesem Stadium hat der Trinkende dann die Kontrolle über den Alkohol verloren, er kann nicht mehr aufhören zu trinken, hat er erst einmal angefangen. Selbst nach langer Abstinenz existieren diese Verhaltens – und Erlebnismuster des Alkoholkonsums noch im Gehirn. Schon ein kleiner Schluck kann diese reaktivieren, der Alkoholiker wird rückfällig.

2.4 Alkoholbedingte körperliche Schäden :

2.4.1 Gehirn:

Das Abbauprodukt Acetaldehyd ist ein Zellgift, das zum Absterben der Gehirnzellen führen kann. So sterben bei jedem Rausch mehrere tausend Gehirnzellen ab, es kommt langsam zu einer Schrumpfung des Gehirns (Atrophie). Die Leistungsfähigkeit des Gehirns nimmt langsam ab. Gedächtnisverluste, Konzentrationsschwäche, verlangsamte motorische Leistungen sind nur einige Folgen davon.

Das vermehrte Absterben von Gehirnzellen in bestimmten Regionen des Gehirns kann schließlich zur Entstehung eines Korsakow - Syndrom führen. Der Kranke leidet an einem weitreichenden Gedächtnis – und Orientierungsverlust bis hin zur völligen Verwirrung. Dieser Schaden ist irreversibel, die meisten Erkrankten sind derart verwirrt, daß sie psychiatrischer Hilfe bedürfen. Das Korsakow - Syndrom entsteht nur bei langjährigem exzessivem Alkoholgenuß, wie es nur für Alkoholiker üblich ist, während eine Atrophie auch bei starken, aber nicht süchtigen Trinkern auftreten kann.

2.4.2 Nervensystem:

Die giftigen Abbauprodukte schädigen das Nervenmark und die Nervenscheide, es kann zur Polyneuropathie kommen. Diese äußert sich in Schmerzen in Armen und Beinen, Krämpfen, Kribbeln, erschwertes Gehen, oft unter Schmerzen und sogar Lähmungserscheinungen. Auch diese Erkrankung ist typisch für einen Alkoholkranken.

2.4.3 Herz und Kreislauf:

Alkohol erhöht den Blutdruck und kann zu Herz – Rhythmusstörungen führen. Alkoholgenuß führt außerdem zu vermehrter Fettbildung (s. Leber) und damit zu Übergewicht. Das Risiko für einen Infarkt steigt. Diese Gefahr besteht schon bei geringem Alkoholgenuß.

2.4.4 Leber :

Da die Leber die "Entgiftungszentrale" unseres Körpers ist, ist sie am stärksten von Alkoholschäden betroffen. Diese lassen sich in 3 Stadien gliedern.

2.4.4.1 Fettleber:

Durch das Abbauprodukt Acetaldehyd werden Transporteiweiße daran gehindert, Fettsäuren aus der Leber zu transportieren, diese häufen sich dort an. Die Fettsäuren werden in der Leber mit Glycerin zu Fetten verestert, diese Fette werden in den Leberzellen gespeichert. Wird in Folge von weiterem Alkoholgenuß mehr Fett in der Leber gebildet wird, als im Metabolismus zur Energiegewinnung verbrannt wird, kommt es zu weiteren Speicherungen des Fettes in der Leber. Die Leber vergrößert sich, es gibt noch keine ernsten Auswirkungen für den Menschen, auch verschwindet die Fettleber bei Abstinenz vollständig.

2.4.4.2 Alkohol – Hepatitis:

Es kommt zum Absterben der Leberzellen. Die Leber kann sich entzünden, es kommt zur Gelbsucht (Hepatitis). Schon die Alkohol–Hepatitis kann in schweren Fällen zum Tode führen. Wird der Alkoholgenuß nicht unterbrochen, kommt es zwangsläufig zur

2.4.4.3 Leberzirrhose:

Leberzellen sterben vermehrt ab. Die abgestorbene Zellen werden durch hartes Bindegewebe teilweise ersetzt. Es kommt zur Schrumpfung der Leber, die nun beträchtlich in ihrer Funktion gestört ist und damit zu Stoffwechselstörungen. Giftstoffe können nicht ausreichend abgebaut werden und vergiften den Körper weiter. Dies führt zur Beeinträchtigungen im Magen – Darmtrakt. Die Kapilare der Leber werden zerstört oder in ihrer Funktion so beeinträchtigt, daß es zu Blutstauungen in der Leberpfortader kommen kann. Diese führen zur Bildung von Krampfadern in Speiseröhre und Darm, die in die Leberpfortader münden. Die Krampfadern platzen irgendwann, es kommt zu inneren Blutungen, die in fast allen Fällen zum Tod führen. Die Leberzirrhose ist im Gegensatz zur Fettleber irreversibel. Befindet sich der Kranke im Endstadium (bereits gebildete Krampfadern) führt die Leberzirrhose auch bei Abstinenz zum Tod.

Wahrend man die Fettleber auch bei starken Trinkern findet, entstehen Alkohol – Hepatitis und Leberzirrhose nur beim Alkoholiker. Denn der starke Trinker kann im Gegensatz zum Alkoholiker seinen Konsum einstellen, wenn er auf die tödlichen Konsequenzen dieser Leberschäden hingewiesen wird.

2.4.5 Impotenz:

Schäden der Leber können zu Unregelmäßigkeiten im Hormonhaushalt führen. Eine mögliche Folge ist Impotenz. Diese kann auch schon bei geringerem Alkoholkonsum auftreten.

2.4.6 Diabetes:

Gelangt der Alkohol in die Bauspeicheldrüse, kann er dort die Enzyme, die für die Herstellung des Insulins nötig sind, zerstören. Es wird nicht mehr genügend Insulin hergestellt, es kommt zur Diabetes. Es ist noch nicht erforscht, wie lange und wie intensiv der Alkoholgenuß sein muß, um eine Diabetes zu verursachen. Neben zahlreichen Fällen bei Alkoholikern gibt es auch einige Diabetesfälle bei Nicht – Alkoholikern, die aber auf Alkoholgenuß zurückzuführen sind.

2.4.7 Alkoholdelirium (Delirium tremens):

Das Delirium ist eine typische Erscheinung bei Alkoholikern. Dies tritt meist nach einem Absetzen des Alkohols auf. Es eine Entzugserscheinung, die sich durch Halluzinationen, Angst und Wahnvorstellungen kennzeichnet. Es kann auch zum Kreislaufkollaps oder zu Krampfanfällen führen. Ein Delirium muß ärztlich behandelt werden und kann tödlich enden.

 

2.5 Alkoholbedingte psychische Schäden:

Diese Schäden treten nur bei langjährigen exzessiven Alkoholkonsum auf und sind deshalb typisch für Alkoholiker. (Eine umfassende Beschreibung der psychischen Schäden bietet das Jellinek Schema. Aufgrund der Komplexität des Themas können hier nur wenige Punkte genannt werden.)

2.5.1 Halluzinationen, Angstzustände, Depressionen:

Übermäßiger Alkoholgenuß kann die Phasen des REM – Schlafs verkürzen. In dieser Phase werden durch emotionale Träume die Geschehnisse des Tages verarbeitet und Spannungen abgebaut. Sie ist quasi die Phase der geistigen Erholung. Werden die REM – Phasen verkürzt, kommt es zu Unruhe, die in Angstzustände, Nervosität und schließlich sogar zu Halluzinationen übergehen kann. In schweren Fällen ist die Empfindungsfähigkeit so stark gestört, daß es zu Depressionen kommt.

2.5.2 Eifersuchtswahn:

Dieser wird dadurch ausgelöst, daß sich der/die Partner(in) mit den Problemen des Alkoholkranken nicht zurecht kommt und sich schließlich von ihm abwendet. Der/die nicht – abhängige Partner(in) beginnt diese(n) zu kritisieren. Der/die alkoholkranke Partner(in) kommt auf den Gedanken, der/die nicht abhängige Partner(in) ginge fremd. Eine übergroße Eifersucht kann sich in einen regelrechten Wahn steigern, der den/die alkoholabhängige(n) Partner(in) dazu treibt, den/die Partner(in) ständig zu überwachen und zu terrorisieren. Bei Männern wird dieses Gefühl durch die häufig auftretende alkoholische Impotenz noch gesteigert. Dieser Wahn führt meist zur Trennung.

 


3. Meine Fallstudie

Meine Fallstudie führte ich in der Zeit vom 10.01.98 bis zum 20.02.98. Ich wollte durch Gespräche mit einem Alkoholiker dessen Krankheitsgeschichte vom ersten Kontakt mit Alkohol bis hin zur Suchterkrankung aufarbeiten und darüber hinaus die Auswirkungen erarbeiten, die sich als Konsequenz der Alkoholkrankheit für das weitere Leben ergeben. Da ich schon während meines Praktikums die Erfahrung gemacht habe, daß der Werdegang eines Alkoholikers eine komplexe Geschichte ist, - die aus vielen, oft unwichtig wirkenden Einzelteilen besteht, welche sich erst bei ausreichender Erfahrung mit Alkoholkranken als Ganzes verstehen läßt- , beschloß ich, das Jellinek - Schema als Grundlage meiner Untersuchungen zu wählen. Dieses wird (...) als therapeutisches Material eingesetzt und soll dem Patienten helfen, sich selbst als krank zu erkennen. Seine Gliederung des Verlaufs der Alkoholerkrankung in 4 Phasen mit 45 Stufen erleichtert das Verständnis des Alkoholismus als Prozeßerkrankung. In seiner Ausführung, wie es auch in den Therapiemappen in der Klinik überreicht wird, ist es auch im Anhang auf den Seiten 20 - 24 zu finden. Nach der Präsentation der Ergebnisse meiner Fallstudie, werde ich noch eine kurze Bewertung des Schemas geben.

Als "Versuchsobjekt" zu dieser Untersuchung stellte sich mir ein ehemaliger Patient (...) der Klinik zur Verfügung, den ich während meines Praktikums (...) dort kennengelernt hatte. Als ich zum Jahreswechsel die Klinik noch einmal besuchte, trafen wir uns wieder. Er hielt gerade als Mitglied der Anonymen Alkoholiker einen Vortrag vor den Patienten. Als ich ihm von meiner Facharbeit erzählte, bot er mir sofort seine Geschichte als Fallstudie an. Aufgrund des Datenschutzes darf ich den Namen dieses Alkoholikers nicht nennen, da er zu der Zeit als ich mein Praktikum in der Klinik absolvierte, Patient dort war. Um ihn aber nicht namenlos zu lassen, werde ich ihn im Folgenden Olaf F. nennen.

3.1. Olafs Vorgeschichte:

Aufgewachsen ist Olaf als Einzelkind in einer Kleinstadt, ähnlich wie Vallendar. Sein Vater, ein sehr dominanter Mann, war bereits Alkoholiker. Seine Mutter war eine brave Hausfrau, die sich nicht gegen ihren Mann durchsetzen konnte.

Olaf hatte eine starke gefühlsmäßige Bindung zu ihr, wogegen er sich von seinem Vater früh distanzierte, dessen Alkoholproblem er Zeit seines Lebens physisch als auch psychisch zu spüren bekam. Daraus erwuchs eine Abscheu gegen Alkohol, die ihn erst verhältnismäßig spät seine ersten Erfahrungen mit demselben machen ließ.

Obwohl sein Vater zunehmend gewalttätiger wurde und begann, ihn und seine Mutter im Rausch zu schlagen, war sie sehr bemüht, nichts von alledem nach außen dringen zu lassen. Nur seiner Mutter zuliebe verheimlichte auch Olaf lange Zeit die Trinksucht seines Vaters vor Verwandten und Bekannten. In seiner Schulzeit war er immer sehr zurückhaltend gewesen, hatte nie viele Freunde. Ein Grund dafür war Scham, jemand könne hinter das Geheimnis seines Vaters kommen.

Olaf F. ist heute 35 Jahre alt und seit mehr als vier Jahren trockener Alkoholiker. Er ist nicht verheiratet, lebt aber zur Zeit in einer festen Partnerschaft. Seit etwa zwei Jahren arbeitet er als Angestellter in einer größeren Firma.

3.2 Die "Voralkoholischen Phase"

Nach Abschluß der Realschule bekam Olaf ein Angebot für einen Ausbildungsplatz in einer größeren Stadt, mehrere hundert Kilometer von seinem Heimatort entfernt. Dies nutzte er als Vorwand um frühzeitig auszuziehen und sich von seinen Eltern, besonders von seinem Vater und der Last seines Alkoholproblems, zu lösen.

Er hatte sich überraschend schnell mit einigen Azubis seiner Firma angefreundet, die am Wochenende regelmäßig in Kneipen gingen um dort in gemütlicher Runde ein Bier zu trinken. Da ihm diese neue Freundschaft sehr wichtig war, ließ er sich überreden, mit in die Kneipe zu gehen.

Etwa ein Jahr gelang es Olaf, nichts zu trinken. Doch zu seinem achtzehnten Geburtstag gelang es seinen Freunden, ihn zu einem Schluck Bier zu bewegen. Danach ließ er sich immer öfter zum Genuß alkoholischer Getränke verleiten, blieb aber zunächst von harten Spirituosen weg.

Mit neunzehn hatte er alle Vorsicht vor dem Alkohol vergessen. Er trank gern und regelmäßig, auf Parties und Feten war er gern gesehener Gast, da er mit zunehmendem Alkoholpegel immer lustiger und unterhaltsamer wurde.

In dieser Zeit hatte er endlich Spaß am Leben gefunden.

Das alles schrieb er der Loslösung von den elterlichen Problemen und seinen neuen Freunden zu. Im nachhinein betrachtet, läßt sich aber feststellen, daß sein Verhalten genau auf die von Jellinek beschriebenen Symptome paßt.

Er glaubte, daß er jetzt weit weg von seinen Eltern war, hätte ihn lockerer, witziger und gesellschaftsfähig werden lassen. Doch tatsächlich half ihm der Alkohol, seine natürliche Schüchternheit zu überwinden, er wurde heiter und redselig, entpuppte sich als Alleinunterhalter, schlußendlich war das der Grund für seine Beliebtheit.

Er empfand, die von Jellinek beschriebene "Erleichterung" beim Trinken. Er ging vermehrt mit anderen in Kneipen und fehlte auf keiner Party, überall dort, wo nebenbei getrunken wurde.

Ob er täglich trank oder vermehrt bei seelischer Belastung konnte ich leider nicht feststellen, da sich Olaf nicht gut an Details dieser Zeit erinnern kann. Er weiß aber noch, daß er irgendwann in dieser Zeit begann, auch härtere Spirituosen zu trinken. Daraus läßt sich schließen, daß bei ihm auch die "Erhöhung der Alkoholtoleranz" eingesetzt hatte und er die hochprozentigen Getränke nahm, um schneller die gewünschte euphorische Wirkung des Alkohols zu erreichen.

3.3 Die "Anfangsphase":

Mit zwanzig traten bereits erste Symptome der Anfangsphase auf. Er stellte fest, daß er oft unkonzentriert war. Manchmal fiel es ihm schwer einer ganz normalen Unterhaltung zu folgen, ohne den Faden zu verlieren. Auch traten bei ihm Erinnerungslücken (St. 1) auf, denn hin und wieder sprach ihn jemand auf eine Begebenheit an, an die sich Olaf nicht mehr erinnerte. Welches Ausmaß diese Gedächtnislücken gehabt haben, ob sie sich, wie in Stufe 7 , später häuften, läßt sich im Nachhinein aber nicht mehr feststellen. Zudem stellten sich Symptome der Stufen 3, 4, 5 ein. Seine Gedanken kreisten vermehrt um den Alkohol (St. 3) , was er zunächst aber nicht als gefährlich erachtete. Hatte er über einen längeren Zeitraum keinen Alkohol getrunken, neigte er, wenn er wieder trank dazu, die ersten Gläser sehr hastig zu trinken, bis er die Wirkung des Alkohols spürte (St.4) . Die ersten Schuldgefühle (St.5) wegen seines Trinkens bekam, als er das erste Mal seit vier Jahren seine Eltern besuchte. Sein Vater hatte mittlerweile zwei Entziehungskuren hinter sich und versuchte nun dauerhaft vom Alkohol wegzukommen. Es kam zu einer ersten Aussprache zwischen Vater und Sohn. Nachdem er seine Eltern wieder verlassen hatte, konnte er nicht mehr ohne Gewissensbisse trinken. Für etwa zwei Monate schwor er dem Alkohol ab. Es stellte sich eine sogenannte "Trockenphase" ein. Bei Alkoholikern nennt man so eine Phase, in der der Süchtige keinen Alkohol zu sich nimmt, aber meist nach einigen Wochen, selten auch Monaten oder Jahren, wieder anfängt zu trinken. Olaf erzählte mir, daß er sein Trinkverhalten mit dem seiner Freunde verglich und feststellte, daß es irgendwie nicht das selbe zu sein schien. Woran er das feststellte, wußte er weder damals, noch kann er es heute nachvollziehen. Um sich aber nicht selbst zu beunruhigen, sagte er sich, daß gegen ein Glas Bier nichts einzuwenden sei, so daß er nach den zwei Monaten Abstinenz, wieder anfing zu trinken. Trotzdem entwickelte sich bei Olaf ein stärker werdendes Schamgefühl, andere könnten herausfinden, daß er anders trinkt. Deshalb begann er heimlich zu trinken (St.2) . Hatte er sich mit Freunden in der Kneipe verabredet, trank er schon vorher, damit er in der Kneipe selbst nicht mehr so viel trinken mußte, um angeheitert zu sein. War er eingeladen oder hatte er Besuch, trank er heimlich in der Küche oder auf der Toilette, wenn ihn niemand sah. Meistens hatte er eine kleine Flache mit Alkohol dabei, oder er bediente sich an der Hausbar, selbst wenn es nicht die eigene war, auch ohne zu fragen. Gleichzeitig stellte sich das Symptom der Stufe 6 ein. Aufgrund seiner Schuldgefühle und seines Verhaltens, wollte er nicht über Alkohol und dessen Konsum reden.

3.4 Die "kritische Phase":

Wahrscheinlich stellte sich bei Olaf der Kontrollverlust (St. 8) ein, als er etwa einundzwanzig Jahre alt war. Es ist durchaus möglich, daß sich dieser schon früher eingestellt hatte, ohne das es Olaf bewußt wurde. Doch in diesem Alte fielen ihm bestimmte Verhaltensweisen an ihm selbst auf, die ganz deutlich den Verlust der Kontrolle über den Alkohol zeigen.

Z. B. konnte er nach einem Glas Bier nicht mehr aufhören zu trinken. Er trank mehr, als er eigentlich gewollt hatte. War er in einer Kneipe, kam es öfter vor, daß er mehr trank, als er bezahlen konnte, worauf er sich immer öfter Geld von seinen Freunden leihen mußte.

Hatte er früher Sonntags nur wenig getrunken, weil er am Montag arbeiten mußte, so warf er nun dieses Prinzipien über Bord. Er trank auch Sonntags so viel, daß er Montags noch mit Restalkohol zur Arbeit erschien, manchmal hatte er sogar so viel getrunken, daß er gar nicht zur Arbeit gehen konnte.

Da ihn sein Verhalten von Zeit zu Zeit an das seines Vaters erinnerte, der auch oft zu unpassenden Gelegenheiten getrunken hatte, begann er, sich selbst zu erklären, warum er wieder trinke. Und Olaf fand immer neue Erklärungen, (St. 9) um sich vor sich selbst für seine Trinkexzesse zu rechtfertigen.

Innerhalb der nächsten fünf Jahre machte er fast alle Stufen der kritischen Phase durch.

Da diese Phase geprägt war, durch alkoholische Exzesse, kann sich Olaf nur noch bruchstückhaft an diese Zeit erinnern. Aus diesem Grund war es mir zwar möglich, festzustellen, ob sich alle Symptome der kritischen Phase nach Jellinek zeigten, jedoch nicht, ob sich die Symptome auch in der Reihenfolge abspielten, in der sie Jellinek in seinem Schema darstellt. Deshalb halte ich mich in meiner Analyse an die vom Schema vorgegebene Reihenfolge.

Für Olaf zeigten sich bald Probleme wie sie in Stufe 10 beschrieben sind. Sein verändertes Verhalten fiel zunächst seinen zwei besten Freunden. Von ihnen hatte er sich des öfteren Geld für seine Trinkexzesse geliehen. Zwar bezahlte er seine Schulden immer in der nächsten Woche, doch kaum hatte er das Geld zurückgegeben, mußte er sich wieder welches leihen, um die Rechnungen für den Alkohol zu bezahlen. Auch fiel er später an seinem Arbeitsplatz auf, da er häufig fehlte, was früher nur sehr selten der Fall gewesen war. Olaf erinnert sich noch daran, daß sein Chef ihn zu einem Gespräch bat, indem er sich über den Grund seines Verhaltend erkundigen wollte.

Nachdem er durch sein Verhalten schon mehreren Leuten aufgefallen war, beschlossen seine engsten Freunde, einmal mit ihm zu reden. Sie vermuteten, er habe familiäre Probleme und hofften, ihm helfen zu können. Doch zur Rede gestellt, versicherte Olaf, alles sei in Ordnung, sie bräuchten sich keine Sorgen zu machen. Nun wußte er definitiv, daß die anderen sein Verhalten seltsam und nicht ganz normal fanden. Er fühlte sich schlecht. Der vage Gedanke, er könne vielleicht doch so geworden sein, wie sein Vater, nagte beständig an ihm. Zwar zeigte er keine "Übergroße Selbstsicherheit" (St. 11) , aber er verlor einen großen Teil seines Selbstwertgefühls (St. 11).

Auch reagierte er zunehmend den Leuten feindselig gegenüber, die mit ihm reden und ihm helfen wollten. Er stellte fest, daß er sich besser fühlte, wenn er seine Freunde nicht sah und diese ihm folglich auch nicht ins Gewissen reden konnten.

Er begann sich von ihnen zu distanzieren.

Um sich nicht selbst als Schuldigen seiner Situation zu sehen, redete er sich ein, daß seine Freund ihn mit ihrem Verhalten in diese Situation gedrängt hätten (St.12) . Trotzdem wollten ihn seine Freunde nicht hängen lassen. Aber in dem Maß, in dem sie sich um ihn bemühten, stiegen seine Schuldgefühle, die ihn schließlich dazu brachten, wieder von neuem zu trinken, da er sie sonst nicht ertragen konnte.

Damit stellte sich der in Stufe 13 beschriebene Teufelskreis ein. Sein überhöhter Alkoholkonsum war ein Grund für seine Freunde, mit ihm zu reden, er fühlte sich dadurch schuldig, wogegen nur ein erneuter Alkoholkonsum helfen konnte, der wiederum seinen Freunden auffiel, usw.

Olaf trank also weiter und fiel auch weiter am Arbeitsplatz auf. Da ein persönliches Gespräch nicht geholfen hatte, erreichte ihn eine schriftliche Mahnung seines Arbeitgebers etwa ein Jahr später. Wieder wurde er wegen seiner vielen Fehlzeiten und seinem aggressiven Verhalten gemahnt, diesmal aber mit der offenen Drohung der Kündigung.

Dies zwang ihn zu einer abstinenten Phase (St.14) .

Doch schon bald, etwa nach einem Monat, fing er wieder an zutrinken.

Er fiel erneut auf.

Aus Angst seinen Job zu verlieren, fing er an, wie in Stufe 15 beschrieben, sein Trinkverhalten zu ändern. Er hoffte, wenn er sich bestimmte Regeln aufstellte, würde er es schaffen, zumindest zur Arbeit nüchtern zu erscheinen.

Auch seinen Freunden und Arbeitskollegen war das Gespräch Olafs mit seinem Chef und die Abmahnung nicht entgangen. Mit den guten Absichten, ihn noch einmal anzusprechen und ihm ihre Hilfe anzubieten, erreichten sie nur, daß er sich fortan gar nicht mehr um sie kümmerte (St. 16) .

Er hatte schon genug Probleme mit seiner Arbeitsstelle und wollte sich nicht auch noch mit seinen Freunden auseinandersetzen müssen.

Gut ein Jahr funktionierte sein Trinksystem, dann verlor er wieder die Kontrolle über seine Trinkgewohnheiten und als Folge auch etwas später endgültig seinen Job (St.17) .

Im folgenden Jahr setzten die Stufen 18, 19, 20 und 21 ein. Er ging seinem Mitmenschen aus dem Weg, und beschäftigte sich nur noch mit dem Alkohol, den er als einzigen und wahren Freund sah (St. 18) .

Er hatte sich eine Zeit lang mit Gelegenheitsjobs etwas verdient, doch stellte er auch bei diesen fest, daß diese sein Trinkverhalten störten, seinen Konsum einschränkten (St. 19) . Daraufhin lebte er fortan nur noch vom Arbeitslosengeld, das ausreichte, seine Wohnung und die nötige Menge Alkohol zu bezahlen.

Das gab ihm die Möglichkeit, sein ganzes Leben auf den Alkoholkonsum einzustellen. Spätestens zu dieser Zeit hatten auch weniger enge Freunde herausgefunden, daß mit Olaf etwas nicht stimmte, einige hatten sogar die Alkoholsucht erkannt. Es kam immer häufiger zu Gesprächen, die Olaf seelisch so stark belasteten, daß sie seine  Schuldgefühle wachsen ließen, und er schließlich zur Stufe 20 kam.

Olaf schob die Schuld für sein Trinken auf seine Freunde, schließlich brachten sie ihn durch ihre andauernden Nörgeleien dazu, mehr Alkohol zu trinken. Zu diesem Standpunkt gekommen, sah er seine Freunde plötzlich als Feinde. Die Folge, Olaf distanzierte sich noch mehr.

Außerdem stellte sich nach eigenen Angaben auch Selbstmitleid ein, das mit jedem Tag, an dem es Olaf nicht gelang trocken zu bleiben und an dem ihn seine Freunde wiederholt ermahnten, sich helfen zu lassen, wuchs (St.21) .

Da für Olaf bald eine gedankliche Flucht vor seinem Problem mit dem Alkohol nicht mehr überzeugend genug war, wechselte er wie in Stufe 22 beschrieben den Wohnort, um seinem Ärger zu entkommen.

Unter dem Vorwand er habe eine neue Arbeit gefunden, zog er in das Zentrum einer Großstadt.

Die Wahrheit aber war, daß er in dieser Anonymität ungestört so leben wollte, wie er es vorher nicht konnte. Diese Anonymität und die Trennung von all seinen früheren Freunden ließ der Alkoholkrankheit freien lauf.

Es stellte sich das Symptom der Stufe 23 nicht ein, da er zu diesem Zeitpunkt keine eigene Familie hatte und von seinen Eltern getrennt lebte. Aber er stellte an sich Symptome der Stufe 24 , einen grundlosen Unwillen, der ihn oft von seinen Gelegenheitsjobs oder anderen wichtigen Terminen fernhielt, fest.

Zudem begann er, nach Stufe 25, sich eine größere Menge an Alkohol als Vorrat anzulegen, aus Angst ihm könnte der Alkohol ausgehen und er könnte sich keinen neuen besorgen, bevor er sein Pensum konsumiert hatte.

Der Alkohol ersetzte meist das feste Essen, so daß Olaf an vielen Tagen nichts, oder nur wenig aß (St.26) .

In diesem Stadium kam es aber noch nicht zu Krankenhauseinweisungen aufgrund alkoholischer Beschwerden (St. 27) .

Da Olaf zu dieser Zeit keine Beziehung hatte, zeigte sich keine Abnahme des Sexualtriebes (St. 28) und auch keine alkoholische Eifersucht (St. 29) .

Diese Entwicklung zog sich etwa fünf Jahre hin, bis er im Alter von 26 begann, jeden Morgen zu trinken (St.30) . Er hatte am Morgen seines 26. Geburtstag mit Sekt auf sich selbst angestoßen. Als er merkte, daß der Tagesablauf dadurch einfacher wurde, der Sekt ihn quasi aufputschte, trank er von nun an jeden Morgen.

Obwohl es ihm immer schlechter ging, sah er seine Alkoholerfahrungen trotzdem als positive Erfahrungen, eine Auslegung, die ein Nicht – Alkoholiker nur schwer oder gar nicht nachvollziehen kann. Aber eben dieser Auslegung führte dazu, daß er nicht in der Lage war, etwas gegen seinen Alkoholkonsum zu tun.

Als er knapp achtundzwanzig Jahre alt war traf er bei einem seiner selten gewordenen Kneipenbesuche eine junge Frau gleichen Alters mit der er sich erstaunlich gut verstand . Man beschloß, sich wieder zu treffen. Beide freundeten sich schnell an, nach einem halben Jahr war aus Freundschaft Liebe und aus den Freunden ein Paar geworden.

Während der ersten Zeit gelang es Olaf, seinen Alkoholkonsum so weit einzuschränken, daß Heike nichts von seiner Alkoholkrankheit merkte.

Es dauerte einige Zeit, bis jemand Olafs Alkoholkrankheit bemerkte. Doch diese Person war nicht etwa Heike, sondern ihre Mutter Gertrud . Als seit etwa 10 Jahren trockene Alkoholikerin hatte sie die Anzeichen schon länger bemerkt, wollte sich zunächst aber nicht in das junge Glück einmischen. Als sie aber merkte, daß Heike nach gut einem Jahr immer noch keinen Verdacht schöpfte, beschloß sie mit Olaf zu reden.

Als Olaf wieder einmal bei Heike übernachtete, die zu diesem Zeitpunkt noch bei ihrer Mutter wohnte, stellte sie ihn zur Rede. Er hatte sich nachts heimlich aus der Hausbar bedient, als Gertrud ihn dabei ertappte. Sie sagte ihm direkt ins Gesicht, daß er Alkoholiker sei und dringend Hilfe brauche. Er dementierte ihre Vorwürfe, doch Gertrud blieb standhaft. Schließlich drohte sie, Heike alles zu erzählen, wenn er sich nicht helfen lasse.

Aus Angst, Heike zu verlieren, machte er seine ersten Besuche bei den A.A. , einer Selbsthilfegruppe für Alkoholiker, die sich regelmäßig zu Gesprächsabenden treffen, um gemeinsam über die Sucht zu reden und sich gegenseitig bei der Abstinenz zu unterstützen.

Nachdem er einige Geschichten bekennender Alkoholiker gehört hatte, wurde ihm bewußt, was er schon seit langem vor sich selbst leugnete, er war alkoholabhängig.

Leider machte ihn diese Erkenntnis nicht immun gegen die Versuchung zu trinken. Er blieb nach solchen Treffen der AA, oft nur einige Wochen trocken, schaffte es aber nicht dauerhaft. Gertrud sah diese Entwicklung ein halbes Jahr mit an, dann erzählte sie Heike die Wahrheit.

Sie riet Heike, mit ihm zu reden, notfalls sich von ihm zu trennen.

Nur wenige Tage nachdem Heike alles erfahren hatte, starb Olafs Vater an einem schweren Leberschaden, als Folge seines Alkoholkonsums.

Als Gertrud davon erfuhr, überredete sie ihre Tochter, sich von Olaf zu trennen, da dieser es nicht geschafft hatte, vom Alkohol loszukommen.

Im ersten Moment mag dies sehr grausam klingen, doch waren es sicherlich diese schweren seelischen Belastungen, die Olaf retteten.

Er war psychisch so labil, das er einen seelischen Zusammenbruch erlitt (Stufe 44) . Erst dieser Zusammenbruch ließ ihn erkennen, daß der Alkohol seine Probleme nur noch schlimmer gemacht hatte. Erst jetzt sah er die Folgen seines Trinkens als negativ an und war fähig, etwas dagegen zu unternehmen.

Er ging jetzt regelmäßig zu den AA, machte mit 30 schließlich eine stationäre Entziehungskur und schaffte es, von da ab trocken zu bleiben.

Glücklich über diese Entwicklung gewann er auch Heike wieder zurück, die beiden sind bis heute ein Paar.

Letztes Jahr entschloß er sich schließlich zu einer Therapie, um, wie er sagte, sich selbst zu finden. Trotz dieser dramatischen Entwicklung, die über zehn Jahre dauerte, hatte Olaf Glück. Er hat den Absprung geschafft, bevor er richtig in die Chronische Phase nach Jellinek eintrat, er hat nur einen leichten Leberschaden davongetragen, seine geistigen Fähigkeiten sind nur geringfügig in Mitleidenschaft gezogen worden.

Trotzdem bleibt er für den Rest seines Lebens alkoholkrank und auch der kleinste Schluck Alkohol kann ihn rückfällig werden lassen.

4. Wie lebt (m)ein trockener Alkoholiker?

Genauso und doch ganz anders als andere Menschen, würde Olaf sagen, der seine Krankheit mittlerweile mit Gelassenheit trägt.

Ein trockener Alkoholiker muß sein Leben natürlich etwas anders organisieren, als ein gesunder Mensch, ist aber deshalb nicht völlig eingeschränkt.

Um einen Einblick in diese Organisation zu geben, habe ich Olaf bei ganz alltäglichen Dingen begleitet um die Besonderheiten deutlich zu machen.

4.1 Der (Lebensmittel-) Einkauf.

Ein Alkoholiker kann nicht wahllos alles kaufen, was er früher einmal gerne gegessen oder getrunken hat.

Bei Getränken ist das ein geringeres Problem, da man anhand der Promilleangaben sofort erkennen kann, welches Getränk Alkohol enthält und welche nicht.

Bei allen anderen Lebensmittel wird es schwieriger, denn uns ist oft nicht bewußt, wo überall Alkohol enthalten ist. Natürlich macht jeder Alkoholiker einen Bogen um Weinbrandbohnen oder durch Werbung bekanntes alkoholisches Konfekt, doch ist auch in vielen Plätzchen oder Fertigkuchen Alkohol enthalten.

Das Einkaufen erfordert andauernde Wachsamkeit, besonders wenn man Produkte das erste mal verwendet.

Selbst Medikamente enthalten oftmals Alkohol als Lösungsmittel und dürfen somit nicht eingenommen werden.

Auch Deo oder After Shave muß alkoholfrei sein, da er über die Haut ebenfalls in den Körper gelangt und es so zum Rückfall kommen kann.

Zudem sollte es auch nicht in Reinigungsmitteln, wie in den meisten Desinfektionsmittel, enthalten sein, da der Alkoholiker sonst dem Geruch ausgesetzt ist. Zwar muß dieser damit zurechtkommen, daß er diesem Geruch unter Umständen begegnet er und der Versuchung widerstehen muß (z. B. auf Feiern, wo andere Leute Alkohol trinken), doch diesen Kampf auch in seiner eigenen Wohnung zu führen, wäre unnötige Qual.

4.2 Das Feiern mit Freunden oder Arbeitskollegen

Auch hier sieht sich der Alkoholiker dem Alkohol konfrontiert und muß der Versuchung widerstehen, selbst zu trinken.

Er kann nicht alles essen, da oft nicht klar ist, in welchen Gerichten Alkohol enthalten ist - man bedenke dabei, daß oft Soßen mit Wein verfeinert werden – im Zweifelsfall muß auf das Gericht verzichtet werden.

Auch wenn es dem Alkoholiker nicht so schwer fällt, auf den Alkohol zu verzichten, muß er damit rechnen, von anderen darauf angesprochen zu werden. So muß er sich dafür rechtfertigen, daß er nicht trinkt oder bestimmte Gerichte nicht ißt, will aber verständlicher Weise nicht jedem direkt erzählen, das er alkoholkrank ist.

Oft werden Ausreden genannt, z.B. das man noch Auto fahren muß oder Medikamente, wie Antibiotika nimmt, und deshalb nicht trinken darf. Solche Festivitäten, sofern der Alkoholiker dort mit Menschen konfrontiert wird, die seine Krankheit nicht kennen und denen er dies auch nicht erzählen will, bleiben für den Alkoholkranken ein Spießrutenlauf.

4.3 Die Arbeitsstelle

Grundsätzlich ist es für einen Alkoholkranken schwer, eine Arbeitsstele zu finden, ist er bei früheren Arbeitgebern schon einmal wegen seiner Krankheit aufgefallen und ist dies in seinem Zeugnis oder als Grund der Entlassung bekannt.

Ein Alkoholiker birgt immer die Gefahr, rückfällig zu werden, selbst wenn er schon viele Jahre trocken war.

Viele Arbeitgeber wissen um den Ärger, den ihnen ein rückfälliger Alkoholiker bereiten kann. So darf laut Gesetz kein Alkoholiker wegen seiner Krankheit entlassen werden. Der Alkoholismus als Kündigungsgrund ist erst dann zulässig, wenn sich der Süchtige weigert, Therapiemaßnahmen anzunehmen. Läßt er sich aber behandeln, muß ihn der Arbeitgeber weiterhin beschäftigen. Entläßt er den Süchtigen doch, kann dieser gegen seinen Arbeitgeber klagen, mitunter ein langwieriger Prozeß, bei dem der Süchtige weitaus bessere Chancen hat.

Da der Arbeitgeber jedoch keinen Grund angeben muß, warum er einen Bewerber nicht annimmt, wird der offensichtliche Alkoholiker oft gar nicht erst eingestellt.

Wird er doch eingestellt, dann sieht er sich einem anderen Problem gegenüber. Meist hat es sich schnell herumgesprochen, daß der neue Angestellte Alkoholiker ist. Offene Feindschaften und Mißtrauen können die Folge sein. Dann kommt es auf die Verständigung des Süchtigen mit seinen Kollegen an, ob eine Zusammenarbeit möglich wird, oder ob das Mißtrauen bleibt, dessen Folge meist eine Kündigung von Seiten des Alkoholikers ist.

Kann er seine Krankheit verbergen, muß er doch trotzdem bei vielen Gelegenheiten, wie z. B. Betriebsfeiern Rechenschaft ablegen, warum er nichts trinkt. Ausreden wie z. B. die Einnahme eines Medikamentes, bei dem man nicht trinken darf, mögen die erste Neugier befriedigen, helfen aber nicht auf Dauer.

Olafs Strategie auf seinem neuen Arbeitsplatz ist, niemandem die Krankheit direkt auf die Nase binden, aber auch kein zu großes Geheimnis daraus machen.

Dank des Verständnisses, daß ihm die meisten seiner Kollegen entgegenbringen, fühlt er sich sehr wohl dort.

5. Bewertung des Jellinek – Schemas

Bevor ich zu einer subjektiven Beurteilung des Schemas komme, halte ich es für erwähnenswert, daß sich das Jellinek – Schema in den Forschungskreisen als eines von wenigen Modellen durchgesetzt hat. Es wird bis heute, meist in Verkürzter Form, in Forschung, Therapie oder im Schulunterricht angewandt.

Schon in meinem Praktikum habe ich festgestellt, daß der Alkoholismus eine sehr komplexe Erkrankung ist, die nur schwer greifbar gemacht werden kann.

Auf den ersten Blick lassen sich starke Trinker kaum von Alkoholikern unterscheiden, denn deren Verhaltensweisen scheinen gleich zu sein. Es sind aber die kleinen Unterschiede, die den Trinker vom Alkoholiker trennen. Und genau diese Unterschiede hat das Jellinek – Schema erfaßt.

Durch die Arbeit am Jellinek – Schema können sich die Patienten selbst als Alkoholiker erkennen, der erste aber wichtigste Schritt, damit die Therapie wirken kann. Ich habe beobachtete, wie Patienten, die sich nicht für krank hielten, gegen Ende der ersten Phase der Therapie, in der das Schema benutzt wird, vor der ganzen Gruppe sagen konnten: "Ich bin Alkoholiker".

Ich glaube, für die Therapie ist dieses Schema von großem Wert und wird sich auch dort weiter behaupten.

Auch für meine Facharbeit war es eine große Hilfe. Der Alkoholismus ist ein Gebiet auf dem es noch mehr offenen Fragen als Erklärungen gibt.

Dieses Schema gab mir erste Anhaltspunkte zur detaillierten Suche nach dem biologischen "Warum ?" der Sucht. Auch wäre meine Fallstudie sicher nicht so detailliert und genau ausgefallen, hätte ich nicht aufgrund des Schemas konkrete Fragen stellen und einzelne Symptome besser erkennen können.

Zwar stellte ich sowohl bei meinem Praktikum, als auch bei meiner Fallstudie fest, daß manche Stufen des Schemas gar nicht oder an anderer Stelle auftraten. Der Grund dafür liegt sicher in der Tatsache, daß sich jede "Suchtkarriere" durch das persönliche Schicksal, das hinter ihr steht, unterscheidet.

Doch trotz unterschiedlicher Vergangenheit waren die Unterschiede zum Schema, gemessen mit den Übereinstimmungen, nur gering.

6. Schluß

Zum Abschluß soll erwähnt sein, daß die Krankheit " Alkoholismus" sicherlich viel komplexer ist, als ich es hier darstellen konnte.

Sie ist individueller als die meisten anderen Krankheiten, denen der Menschheit bis jetzt begegnet ist. Die Forschungen haben erst einen kleinen Teil der biologischen Grundlagen dieser Suchterkrankung erforscht.

Viele Theorien konnten bis heute weder widerlegt noch bestätigt werden.

Auch die sozialen Aspekte konnten noch nicht völlig erfaßt werden. Trotz Jellineks Versuch, den Prozeß der Erkrankung in ein Schema zu packen, bleibt diese immer noch ein individuelles Schicksal, über dessen Entstehen, Bestehen und Überstehen wir noch viel zu wenig wissen.

Das wir dem Alkohol immer noch zu gedankenlos gegenüberstehen, trotz wachsender Zahl der Erkrankungen, ist ein Trend unserer Zeit, den wir, oder zumindest einige von uns, teuer bezahlen.

Und zwar mit einer Krankheit, für die es zwar Therapien, aber keine Heilung gibt.

Das allein sollte genügen, die Forschung voranzutreiben, die Zahl der präventiven Maßnahmen zu erhöhen und die Möglichkeiten der Therapie zu verbessern.

Vor allem aber, sollte sich die Einstellung vieler Menschen ändern, die in einem Alkoholiker nur den Obdachlosen von der Straße sehen.

Nicht umsonst heißt es im Volksmund "Gesellschaftsdroge" Alkohol, denn dieser könnte jeden von uns in seinen Bann ziehen.

Nicht dem Alkohol, sondern dem Alkoholiker sollten wir offener gegenüberstehen, denn wie jeder andere Kranke auch, braucht er unsere Unterstützung.

Nur er allein kann es schaffen, seine Krankheit zu überwinden, aber er schafft es nicht allein.



7. Anhang

Gespräch vom 09.01.98

"Dein Vater war Alkoholiker. Welche Auswirkungen hatte sein Verhalten für Dich und Deine Mutter ? Fühltest Du Dich irgendwie eingeschränkt durch seine Sucht ?"

"...Mein Vater war sehr launisch. Hatte er länger nichts getrunken, begann er meine Mutter zu terrorisieren, sie sollte dafür sorgen, daß genug Bier zu Hause war, wenn er von der Arbeit kam. Schließlich sei das, eben Kochen, das Kind versorgen und Putzen die einzige Aufgabe, die sie zu erledigen hätte.

Er behandelte sie oft wie eine Sklavin.

Meine Mutter hatte zu große Angst sich zu wehren.

Sie wollte nicht, daß er mich oder sie selbst schlug, und verlassen konnte sie ihn auch nicht, denn sie hätte nicht gewußt wohin.

Also sorgte sie brav dafür, daß er sein Bier bekam. Dann hatten wir wenigstens für ein paar Stunden Ruhe, während sich mein Vater vor dem Fernseher vollaufen ließ.

Leider fing er nach einiger Zeit an, aggressiv zu werden, wenn er betrunken war. Dann durfte man ihm nicht unter die Augen kommen, sonst bezog man Prügel.

Wir waren so hilflos, daß ich am liebste von zu Hause weggelaufen wäre, aber das tat ich nicht, weil meine Mutter sonst mit meinem Vater alleine gewesen wäre. ....

Er verdiente nicht viel, als er später auch seinen Job wegen seiner Trinkerei verlor, hatten wir noch weniger Geld. Den größten Teil seines Verdienstes setzte er in Alkohol um, so daß für meine Mutter und mich nur noch für das nötigste reichte. Ich konnte nie mithalten, wenn andere Kinder ihre neuen Spielsachen zeigten...

Damals hatte ich Angst, Freunde zu finden. Die hätte womöglich gemerkt, daß mit meinem Vater etwas nicht stimmte. Ich hätte sie nie mit nach Hause nehmen können, aus Angst mein Vater könnte betrunken sein.

Meine Mutter schämte sich ebenfalls, deshalb durfte ich es auch niemandem erzählen. Ich mußte mit der Situation ganz alleine klar kommen, deshalb wurde ich mehr und mehr zum Außenseiter...

Gespräch vom 16.01.98.

"Du konntest nach dem Schulabschluß in eine andere Stadt ziehen. Wie war das Gefühl endlich von zu Hause weg zu kommen? Warum hatten Deine neuen Freunde so viel Einfluß auf dich?"

"... Ich war erleichtert und froh. Zwar tat es mir leid, meine Mutter alleine lassen zu müssen, aber sie sagte mir, es sei ihr lieber, wenn wenigstens einer von uns hier heraus kam.

Also ging ich mit dem festen Vorsatz, ein ganz neues Leben anzufangen.

Ich traute mich endlich mit Gleichaltrigen Kontakt aufzunehmen, denn mein Vater war mit seinem Problem "aus der Welt", wie es für mich damals schien. Ich fand auch erstaunlich schnell einige Freunde, die mit mir zusammen arbeiteten.

Zwar besuchten sie regelmäßig Kneipen, aber ich wußte ja, daß nicht jeder gleich das Problem meines Vaters hatte, nur weil er ab und zu trank. Ich ließ mich verleiten, sie bei ihren Kneipenbesuchen zu begleiten.

Zu Anfang war es für mich kein Problem, nichts zu trinken. Ich erzählte, ich hätte einmal eine böse Erfahrung damit gemacht und würde deshalb aus Prinzip nicht trinken, was in gewisser Weise ja der Wahrheit entsprach. Das wurde auch akzeptiert.

Ich machte selbst den Fehler, als ich mich zu meinem achtzehnten Geburtstag, an dem ich eine Runde Bier ausgab, dazu überreden ließ, auch ein Glas zu trinken.

Es schmeckte mir und, was noch wichtiger war, es hatte von Anfang an eine angenehme Wirkung auf mich. Zuerst dacht ich mir nichts dabei, und das ließ mich endgültig alle Vorsicht gegen den Alkohol verlieren.

Ich trank öfter und entdecke ganz neue Seiten an mir, die es ohne Alkohol nicht gegeben hatte.

So wurde ich auf Parties, entgegen meiner sonst zurückhaltenden Art, nach ein Paar Bier regelrecht zum Entertainer. Das machte mich beliebt und das wollte ich später ebensowenig aufgeben, wie den Alkohol..."

Gespräch vom 30.01.98

"Wie war es, deinen Vater nach relativ langer Zeit wiederzusehen?"

"Hätte meine Mutter mir nicht erzählt, daß er schon seit einiger Zeit trocken war und es diesmal nach einem ernsten Versuch aussah, nicht mehr zu trinken, glaube ich, wäre ich nicht gekommen.

Zwar wollte ich meine Mutter gerne wiedersehen, aber auf meinen Vater hätte ich dabei gerne Verzichtet.

Ich war sehr überrascht, als ich ihn dann vor mir sah. Irgendwie sah er nicht mehr so groß und bedrohlich aus, wie er es früher getan hatte.

Er begrüßte mich mit einer nie gekannten Herzlichkeit und ich schluckte schwer, als er sich unter Tränen bei mir für sein Verhalten entschuldigte.

Zum ersten mal sprachen wir über Gefühle. Er bat mich zu erzählen, wie es mir während seiner Exzesse gegangen war und ob es mir denn wenigstens jetzt gut ginge. Ich hätte nie gedacht, daß ich einmal solche Worte aus seinem Mund hören würde.

Als ich wieder zurück in meiner Wohnung war, konnte ich das Gespräch lange nicht vergessen. Ich schämte mich, daß ich nun selbst trank und blieb für 2 Monate trocken.

Dann sagte ich mir, daß ich nicht mein Vater sei und mich kontrollieren könne. Ich trank wieder. Das ich nicht auf die Idee kam, dem Alkohol ein für alle Male abzuschwören hätte mir eine Warnung sein sollen..."

1. Gespräch vom 06.02.98

"Dein Chef hat dich zu einem Gespräch gebeten. Was hat er dir gesagt? Ahnte er dein Problem?"

"Er ahnte nichts von meinem Alkoholproblem.

Wie sollte er auch. Ich hatte eine gute Taktik das zu verbergen, und wenn es nicht gerade meine Freunde aus der Firma gewesen wären, die oft mit mir in der Kneipe waren, hätte keiner dort gewußt oder es mir zugetraut, daß ich oft zuviel getrunken habe.

Mein Chef erzählte mir, das einigen Mitarbeitern mein häufiges Fehlen aufgefallen wäre. Sie hatten sich bei ihm beschwert, daß meine Arbeit oft auf ihren Tischen landete. Außerdem sei ich zunehmend unkonzentriert und würde immer unzuverlässiger werden. Würde mich jemand darauf ansprechen, würde ich aggressiv reagieren.

Dabei sprach er die ganze Zeit so, als sei ihm persönlich nichts aufgefallen.

Ich sah ihm aber an, daß er selbst beunruhigt war und das machte mich irgendwie wütend.

Dieses Verhalten hätte ich doch früher nicht gezeigt, im Gegenteil wäre ich immer ein Vorbild an Höflichkeit, Pünktlichkeit und Arbeitseifer gewesen, sagte er dann. Schließlich fragte er mich, ob ich persönliche Probleme hätte und Urlaub haben wollte. Er spielte den Verständigen, ließ mich aber spüren, daß er mein Verhalten nicht mehr sehr lange billigen konnte und wollte.

Er beendete das Gespräch, ohne daß ich in die Verlegenheit kam, ihm eine Erklärung zu schulden.

Ich verabschiedete mich kleinlaut und verschwand mit hinter dem Rücken geballter Faust.

Mag sein, er hatte es damals wirklich gut mit mir gemeint, aber in diesem Augenblick haßte ich ihn und meine Arbeit...."

2. Gespräch vom 06.02.98.

"Was führte dazu, daß Du Dein Trinksystem erst geändert hast, als es bereits zu einer schriftlichen Mahnung und erneuten Auffälligkeiten am Arbeitsplatz gekommen war? Vorher hast Du Dir doch auch wenig Gedanken um Deine Arbeit gemacht?

"Als mein Chef mich zu sich gebeten hatte, dachte ich nur er solle mich besser in Ruhe lassen.

Ich war ja damals schon süchtig und konnte und wollte nicht ohne den Alkohol leben.

Die Arbeit war auch zunehmend lästig geworden, weil sie mich daran hinderte, so oft und so viel zu trinken, wie ich gerne wollte.

Mir war es zuerst egal, wer sich über mich beschwerte und welche Konsequenzen das haben könnte. Ich habe mir nicht viele Gedanken darum gemacht, ob ich meine Stelle vielleicht verlieren könnte, dazu schien mir die Sache zu wenig akut. Schließlich zeigte mein Chef ja auch noch Mitgefühl für mich.

Alles im allem sah ich keinen Grund mein Verhalten zu ändern, denn es funktionierte ja.

Aber als die Mahnung kam, mit der Drohung ich würde meine Arbeit tatsächlich verlieren, würde ich so weiter machen, da habe ich mir das erste Mal Gedanken gemacht.

Die drehten sich nicht wie bei normalen Menschen die Miete oder so, sondern um den Alkohol.

Ich habe mir überlegt, ob ich denn noch genug Alkohol kaufen könnte, wenn ich kein Geld mehr verdiene. Ich wußte nicht, wie es mit Arbeitslosengeld aussehen würde, also mußte ich mein Verhalten ändern, da diesmal mein Alkoholkonsum auf dem Spiel stand. Und der Einsatz war für mich damals zu hoch, um ihn zu verlieren..."

Gespräch vom 13.02.98

"Wie war das, als du Heike getroffen hast. Du wußtest damals ja noch nichts von ihrer alkoholabhängigen Mutter. Warum denkst du, habt ihr euch direkt so gut verstanden?"

"Das Gefühl kann man glaube ich, nur sehr schwer beschreiben. Wir haben uns von Anfang an sehr gut verstanden.

Ich war zu dieser Zeit eigentlich nicht auf Bekanntschaften aus, da ich die Probleme, die man als Alkoholiker mit Freunden hat, bereits kannte.

Heike hatte es irgendwie geschafft, einen Zugang zu mir zu finden, den andere Leute nicht fanden. Vielleicht ist es die gemeinsame Erfahrung mit der Alkoholsucht (ich als Süchtiger, sie als Angehörige einer Süchtigen), die uns verbanden.

Es ist ein bis jetzt oft beobachtetes Phänomen, daß sich oft Beziehungen zwischen Alkoholikern oder Alkoholikern und Angehörigen von Alkoholikern bilden.

Wir haben es während der Therapie (...) ja oft von Patienten gehört oder selbst miterlebt.

Vielleicht sind es eben nur die Betroffenen, die mit Alkoholikern umgehen können.

Ich hatte vor Heike ja mehrere Beziehungen, die ich aber immer nach kurzer Zeit beendete, weil ich mich mit der Person nicht so verbunden gefühlt habe, wie ich das bei Heike empfand und auch jetzt noch empfinde..."


 

Die Schäden durch Alkohol

Mundschleimhaut/Kehlkopf: Schon 1 Liter Bier pro Tag (analog ½ Liter Wein) erhöht das Risiko für Krebs der Mundschleimhaut, des Kehlkopfes und der Speiseröhre, insbesondere in Verbindung mit Rauchen.

Magen: Besonders bei regelmäßig Trinkenden und bei olabhängigen besteht fast immer eine Magenschleimhautentzündung (Magenschmerzen, vermehrte Übelkeit). Durch kleinere Blutungen kann es zu kaffeesatzartigem Erbrechen kommen, auch Erbrechen von hellem Blut bei Entzündungen im oberen Magenbereich (erruptive Gastritis, z.B. typisch bei Wodka-Trinkern). Magengeschwüre sind nicht selten durch die Wechselwirkung Alkohol - Streß - Alkohol. Schmerzmittel wie 'Aspirin' oder 'Alka Seltzer' erhöhen das Risiko noch zusätzlich.

Bauchspeicheldrüse: Chronischer Alkoholmißbrauch führt bei der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) zu einer besonders prekären Situation: Der Ausführungsgang zum Darm wird verengt, die Ferment-Bildung gleichzeitig gesteigert. Folge: Pankreas-Entzündung (unbeschreiblich starke Schmerzen) und schließlich Selbstverdauung der Drüse. Absolut lebensgefährlich!

Entstehung eines Diabetes ist häufig die Folge einer Pankreas-Schädigung.

Speiseröhre: Bei einer schweren Leberentzündung steigt der Druck in den Adern des Verdauungstraktes. Die Blutgefäße, die sich dort befinden, wo die Speiseröhre in den Magen mündet, erweitern sich und werden dünnwandig. Es kommt dann leicht zu Blutungen, die sehr stark sein können.

Lunge: Chronische Bronchitis und Lungenentzündung sind unter Trinkern üblich. Auch Tuberkulose ist eine häufige Komplikation, die man auf schlechte Ernährung und auf erhöhte Anfälligkeit für Lungeninfektionen zurückführt. Eine Studie ergab, daß mindestens 50 % aller Tuberkulosekranken Alkoholiker waren.

Nieren: Übermäßiger Alkoholkonsum bewirkt, daß sich die Blutgefäße in den Nieren erweitern. Das führt zu einer übermäßigen Urinausscheidung, durch die dem Körper die benötigten Flüssigkeiten entzogen werden.

Anhang:

Die erste und bis heute grundlegende Untersuchung über die Krankheit Alkoholismus stammt von dem amerikanischen Professor Dr. K.M. Jellinek. Im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation untersuchte er mehrere Tausend Fallgeschichten von Alkoholikern und faßte das Ergebnis in einem Schema von 4 Phasen und - innerhalb dieser - 45 Stufen zusammen.

Die Reihenfolge der 4 Phasen steht fest, wobei diese jedoch oft unmerklich ineinander übergehen. Hingegen bedeutet die Aufzählung der 45 Stufen nicht, daß der Alkoholiker diese alle durchlaufen muß oder genau in dieser Reihenfolge. Die Stufen sind vielmehr besonders typische Merkmale oder Symptome der fortschreitenden Alkoholkrankheit. Im Einzelfall können viele übersprungen werden oder auch fortfallen; nicht erwähnte Merkmale können evtl. hinzukommen. Bildhaft läßt sich sagen: Die Stufen treffen gleich Mosaiksteinen aufeinander und zeichnen in ihrer Gesamtheit das Bild des Alkoholikers.

Die bedeutungsvollste Stufe ist die 8., der Kontrollverlust. Hier trennt sich unwiderruflich der Alkoholiker vom ("Nur-") Trinker (oft verstanden als Gesellschafts-, Erleichterungs- oder "Problemtrinker"). Ab dieser Stufe kann man im engeren Sinne von einer Erkrankung sprechen; mit dem Kontrollverlust zeigt sich beim Alkoholiker ein Krankheitssymptom, das er weder willentlich steuern noch zum Verschwinden bringen kann. Es gibt dann kein Zurück mehr zum "normalen Trinken" und keine "Heilung" der Abhängigkeit, sondern die Krankheit kann nur noch durch dauernde und vollständige Abstinenz zum Stehen gebracht werden.

Spätestens vom Eintritt der Stufe 8 an ist es auch sinnlos und falsch, das Verhalten des Alkoholikers moralisch zu bewerten. Während der Trinker noch für Art und Menge des Alkoholgebrauches durchaus verantwortlich ist, verliert der Alkoholiker schon nach kleinsten Mengen die Herrschaft, die "Kontrolle" darüber, ob und wieviel er weiter trinken wird; es setzt eine - krankheitsbedingte - Willenslähmung ein, gerade bezüglich der weiteren Alkoholaufnahme, die dann geradezu zwanghaft und oft gegen alle guten Einsichten und Vorsätze erfolgt.

Der "Kontrollverlust" ist nicht zu verwechseln mit der Erinnerungs- oder Gedächtnislücke, auch "Filmriß" oder "Black-out" genannt (Punkt 1 der 45 Stufen!).

PHASEN U N D STU FEN

A. Voralkoholische Phase

Gelegentliches Erleichterungstrinken

Erhöhung der Alkoholtoleranz

Häufiges Erleichterungstrinken

Der erste Beginn des Konsums alkoholischer Getränke ist bei dem potentiellen Alkoholiker meist sozial motiviert, wie bei jedem anderen auch. Im Gegensatz zum durchschnittlichen Gesellschaftstrinker empfindet der spätere Alkoholiker bald eine befriedigende Erleichterung beim Trinken. Dabei schreibt er seine Erleichterung eher der Situation als dem Trinken zu, z.B. der lustigen Gesellschaft, dem Fest, dem Kegeln oder Skatspielen usw.; daher sucht er Gelegenheiten, in denen beiläufig getrunken wird.

Nach einer bestimmten Zeit des Trinkens wird eine Erhöhung der Alkoholtoleranz festgestellt, d.h. der Trinker braucht eine größere Menge Alkohol als früher zur Erreichung des gewünschten euphorischen Stadiums. Diese Trinkmethode dauert je nach Umständen Monate und Jahre, - sie geht vom Stadium des gelegentlichen zum häufigeren Erleichterungstrinken über. Im gleichen Maße fällt die Toleranz des Trinkers für seelische Belastungen in solch einem Umfang ab, daß er praktisch täglich Zuflucht zur alkoholischen Erleichterung nimmt. Sein Trinken erscheint jedoch weder seinen Angehörigen, Freunden noch ihm selbst verdächtig.

 

B. Anfangsphase

1. Gedachtnislücken

Plötzliches Auftreten von Erinnerungslücken - medizinisch Amnesien genannt. Sie können ohne Anzeichen von Trunkenheit auftreten. Der Trinker kann eine vernünftige Unterhaltung führen oder schwierige Arbeit leisten, ohne am nächsten Tag eine Erinnerung daran zu haben, wenn auch noch einzelne Erinnerungsfetzen bestehen. Der Alkohol hört praktisch auf, ein Getränk zu sein, sondern er wird als "Medizin" benötigt, die der Trinker braucht.

2. Heimliches Trinken

Aus dem Unterbewußten entwickelt sich bei dem Trinker die vage Vorstellung, daß er anders als andere Leute trinkt. Um nun nicht aufzufallen oder falsch beurteilt zu werden, sucht er bei Geselligkeiten Gelegenheiten zum Trinken von ein paar Gläsern ohne das Wissen der anderen; er trinkt "heimlich".

3. Dauerndes Denken an Alkohol

Ohne sich dessen recht bewußt zu werden, denkt der Trinker oft und über das normale Maß hinaus an Alkohol, ein Beweis für seinen erhöhten Bedarf.

4. Gieriges Trinken

Wegen seiner vermehrten Alkoholabhängigkeit tritt jetzt das "gierige Trinken", nämlich das hastige Herunterkippen der ersten Gläser, auf.

5. Schuldgefühle wegen der Trinkart

Da der Trinker sich allmählich bewußt wird, daß sein Trinken ungewöhnlich ist, entwickeln sich bei ihm "Schuldgefühle" wegen seiner Trinkart.

6. Vermeiden von Anspielungen auf Alkohol

Aus dem vorgenannten Schuldgefühl heraus beginnt der Trinker, bei Unterhaltungen "Anspielungen auf Alkohol" zu vermeiden.

7. Häufigkeit der Gedächtnislücken

Die Häufigkeit von Gedächtnislücken, in Verbindung mit dem Verhalten 2.-6., wirft den Schatten der Alkoholsucht voraus und sollte dem Trinker als dringende Warnung dienen.

 

 

C. Kritische Phase

 

8. Unwiderstehliches Verlangen nach mehr Alkohol nach dem ersten Glas

(Kontrollverlust)

Es ist das Stadium erreicht, in dem bei dem Trinker ein unwiderstehliches Verlangen nach mehr Alkohol entsteht, sobald eine kleine Menge Alkohol in seinen Körper gelangt ist. Dieses Verlangen wird als zwingender Bedarf empfunden und hält gewöhnlich an, bis der Trinker zu betrunken oder zu krank für eine weitere Alkoholaufnahme ist. Dieser alkoholische Exzeß, medizinisch Alkoholabusus genannt, braucht nicht durch irgendein persönliches oder psychisch bedingtes Bedürfnis eingeleitet zu werden sondern kann aus einer "harmlosen" gesellschaftlichen Gelegenheit entstehen. Der "Kontrollverlust" bedeutet nicht, daß der Trinker immer trinken muß, er setzt vielmehr erst während des Trinkens und durch das Trinken ein.

Der Trinker hat in der konkreten Situation noch immer die Entscheidungsfreiheit darüber, ob er trinken will oder nicht. Das wird allein durch die freiwilligen abstinenten Perioden bewiesen, die oft nach derartigen Exzessen eingehalten werden.

In diesem Zusammenhang wird oft die Frage erhoben, warum der Trinker nach seinen verhängnisvollen Erfahrungen anläßlich seiner wiederholten Exzesse denn dann immer wieder anfängt zu trinken. Er ist in diesem Stadium bereits alkoholabhängig geworden, wenn es ihm auch nicht bewußt ist. Sein Wille in Verbindung mit Alkohol ist mindestens beeinträchtipt, er selbst jedoch glaubt, daß er seine diesbezügliche Willenskraft nur vorübergehend verloren hat und sie daher wiedererlangen kann und muß. Er ist sich jedoch darüber nicht im klaren, daß in ihm ein Vorgang (Abhängigkeitserkrankung) abgelaufen ist, der es ihm unmöglich macht, seinen Alkoholkonsum über längere Zeiträume hinweg einzuschränken oder zu kontrollieren.

9. Erklärungen, warum man so trinke (Alkoholausreden, Alibis)

Mit dem Einsetzen des Kontrollverlustes beginnt der Alkoholiker sein Trinkverhalten zu erklären und schafft sich durch "Alkoholausreden" Alibis, d.h. Erklärungen, die ihn selbst davon überzeugen sollen, daß er die Kontrolle nicht verloren hat. Er redet sich selbst ein, daß er "guten" Grund zum Sichbetrinken habe und er ohne "diesen" Grund genauso mäßig oder überhaupt nicht wie die anderen trinken könne. Hier setzt der große unbewußte Selbstbetrug des Alkoholikers ein und damit verbunden der Betrug an seiner Umwelt.

10. Soziale Belastungen

Dieser Selbstbetrug ist nun beim Alkoholiker der Anfang eines ganzen "Erklärsystems", das sich immer mehr auf jede Ebene seines Lebens ausbreitet. Dieses "System" dient nun auch als Widerstand gegen die "sozialen Belastungen", die zusammen mit dem "Kontrollverlust" entstehen. Seine Trinkart fällt unterdessen auch der Umwelt auf. Angehörige, Freunde, Kollegen und Arbeitgeber beginnen, den Alkoholiker zu tadeln oder zu warnen.

11. Übergroße Selbstsicherheit

Auf das Verhalten der Umwelt reagiert der Alkoholiker mit "übergroßer Selbstsicherheit" nach außen, obwohl bei ihm selbst ein deutlicher Verlust an Selbstachtung einsetzt. Er versucht, diesen Verlust durch Extravaganz und Großspurigkeit zu kompensieren, um sich selber davon zu überzeugen, daß er noch nicht so schlecht dran ist, wie er manchmal gedacht habe.

12 Auffällig aggressives Benehmen (die anderen sind schuld)

Durch sein "Erklärsystem" isoliert sich der Alkoholiker in zunehmendem Maß von seiner Umwelt, die in seinen Augen an allem schuld ist. Auf dieses angebliche "Schuldsein" der Umwelt reagiert er dann mit auffällig aggressivem Benehmen.

13. Innere Zerknirschung, dauerndes Schuldgefübl (Anlaß zum erneuten Trinken)

Das auffällige Verhalten des Alkoholikers gegenüber seiner Umwelt reflektiert auf ihn selbst und ruft nun auch in ihm Schuldgefühle hervor, die zur inneren Zerknirschung führen. Diese Zerknirschung sucht er erneut mit Alkohol zu überspielen, und so setzt der circulus vitiosus (Teufelskreis) ein.

14. Perioden völliger Abstinenz

Bisweilen gelingt es dem Alkoholiker, diesen "circulus vitiosus" zu durchbrechen, indem er Perioden völliger Abstinenz durchläuft. Dabei folgt er dann auch dem zunehmenden sozialen Druck.

15. Anderung des Trinksystems

Die abstinenten Perioden führen jedoch wieder zum Rückfall, da er seinem Grundübel, dem "Selbstbetrug", nicht begegnet und daher dem ständigen inneren Druck nicht standhält. Aus diesem "Selbstbetrug" heraus ändert der Alkoholiker jetzt sogar sein Trinksystem, indem er sich selber "Regeln" aufstellt, so z.B. nicht vor einer bestimmten Tageszeit zu trinken oder nur an bestimmten Orten, oder nur diese und jene Art und Menge Alkohol zu trinken, usw.

16. Fallenlassen von Freunden (Feindseligkeit gegen die Umwelt)

Die Umwelt erkennt natürlich die Änderung der Verhaltensweise des Alkoholikers, entlarvt ihn ob seiner "scheinbaren" Abstinenz und durchschaut die Änderung seines "Trinksystems". Darauf reagiert der Alkoholiker mit Feindseligkeit und läßt seine Freunde fallen.

17. Verlassen oder Wechseln des Arbeitsplatzes

Das Verlassen oder Wechseln des Arbeitsplatzes ist nur eine Konsequenz aus seinem feindseligen Verhalten gegenüber der Umwelt. Freunde und Bekannte lassen den Alkoholiker fallen, oft verliert er auch den Arbeitsplatz. In vielen Fällen übernimmt er auch in dieser Richtung selber die Initiative als vorausschauende Verteidigung und zum Sich-Entziehen unliebsamerTadel und Mahnungen.

18. Konzentrierung des Benehmens auf Alkohol

Da sich der Alkoholiker immer mehr verlassen sieht, konzentriert er sich im verstärkten Maß auf den Alkohol als "Medizin und Seelentröster".

19. Verlust an äußeren Interessen

Der Alkoholiker denkt darüber nach, wie eine bestimmte Arbeit sein Trinken stören könnte (statt umgekehrt) und lehnt alle Interessen ab, die ihn daran hindern können.

20. Neuauslegung mitmenschlicher Bezichungen

Im Alkoholiker verstärkt sich zunehmend das Gefühl daß die Umwelt an seinem Fehlverhalten schuld sei. Dieses Gefühl ruft in ihm eine immer stärker werdende Anspruchshaltung hervor, aus der heraus er nur noch den Wert oder Unwert seiner mitmenschlichen Beziehungen bemißt.

21. Auffallendes Selbstmitleid

Diese Auslegung seiner mitmenschlichen Beziehungen ist mit einem auffallenden Selbstmitleid verbunden. Er kann doch nichts dafür, die anderen wollen ihm doch immer etwas!

22. Gedankliche oder tatsächliche Flucht

Sein "Erklärsystem", seine "lsolation" und sein "Selbstmitleid" haben jetzt derartige Formen angenommen, daß der Alkoholiker versucht, sich den daraus entstandenen Problemen durch gedankliche Flucht (sich selber etwas vorgaukeln und gedanklich in eine bessere Atmosphäre versetzen) oder tatsächliche (geographische) Flucht zu entziehen.

23. Änderungen im Familienleben

Unter dem Eindruck dieser Vorfälle tritt eine Anderung im Familienleben ein. Nicht nur der Alkoholiker hat sich zunehmend isoliert, sondern auch seine Familienangehörigen ziehen sich zunehmend von ihm zurück. Auch entwickeln sie eine ausgiebige Betriebsamkeit, um dadurch der häuslichen Umgebung zu entkommen.

24. Grundloser Unwillen

Der Alkoholiker selbst lebt jetzt in einem anhaltenden Spannungszustand, der oft bei ihm grundlosen Unwillen auslöst.

25. Sichern des Alkoholvorrats

Das vorherrschende Interesse an A'kohol veranlaßt den Alkoholiker, sich seinen "Alkoholvorrat" immer zu sichern, wobei er auch dazu übergeht, ihn zu verstecken.

26. Vernachlässigung angemessener Ernährung

Sowohl das "Sichern des Alkoholvorrats" als auch die ersten Auswirkungen auf den Organismus durch das ständige Trinken (Appetitlosigkeit) bringen den Alkoholiker dazu, seine Ernährung zu vernachlässigen bzw. sich völlig einseitig zu ernähren (Kotelett, Frikadellen, Würstchen, Brühen usw. - Vitaminmangel).

27. Erste Krankenhauseinweisung wegen alkoholischer Beschwerden Die ersten organischen Schäden werden akut (Gastritis, Leberschäden, neurotische Störungen) stationäre Behandlung wird erforderlich.

28. Abnahme des Sexualtriebes

Während sich zu Beginn der Trinkerzeit eine erhöhte Potenz bemerkbar machte und an die Ehefrau oft unzumutbare Forderungen gestellt wurden, zeigt sich jetzt eine zunehmende Impotenz des Alkoholikers.

29. Alkoholische Eifersucht

Auf Grund der eigenen zunehmenden Impotenz steigert sich beim Alkoholiker die Feindschaft gegen seine Ehefrau. Er unterstellt ihr außerehelichen Geschlechtsverkehr und verfällt dadurch in die "alkoholische Eifersucht". Reaktionen seiner Ehefrau auf sein Fehlverhalten werden von ihm grundsätzlich mißverstanden, ein anderer Mann wird dahinter vermutet.

30. Regelmäßiges morgendliches Trinken

In diesem Stadium haben Gewissensbisse, Unwillen, Kampf zwischen Alkoholverlangen und Pflichten, Verlust der Selbstachtung und Selbstmitleid, Zweifel und Selbsttäuschung den Alkoholiker so zerrüttet, daß er den Tag nicht beginnen kann, ohne sich nach dem Aufstehen oder noch vorher mit Alkohol zu beruhigen. Ja, er kann schon seine Arbeit ohne Alkohol nicht mehr ausführen. Durch den bisherigen Prozeß des Alkoholismus ist die moralische und körperliche Widerstandskraft des Alkoholikers schon völlig untergraben.

 

D. Chronische Phase

 

31. Einsetzen des verlängerten Rausches

Die zunehmend beherrschende Rolle des Alkohols und das durch das morgendliche Trinken entstandene "Verlangen" brechen schließlich den Widerstand des Alkoholikers. Er ist jetzt auch am hellen Tag und bisweilen öfters in der Woche betrunken. Oft verharrt er mehrere Tage hintereinander in diesem Zustand, so daß er dem "verlängerten Rausch" unterliegt, bis er völlig unfähig ist (geistig und körperlich), noch etwas zu unternehmen.

32. Bemerkenswerter ethischer Abbau

Die mit diesen anhaltenden Exzessen verbundene Gleichqültigkeit gegenüber der Umwelt haben bei dem Alkoholiker einen erheblichen ethischen Abbau zur Folge.

33. Beeinträchtigung des Denkens

Auch das Denkvermögen weist erhebliche Ausfallerscheinungen auf. Sachliche Uberlegungen vermag der Alkoholiker nicht mehr anzustellen, seine Gedanken verfolgen nur noch "krumme Wege".

34. Alkoholische Psychosen

Bei vielen Alkoholikern treten in diesem Stadium die ersten "alkoholischen Psychosen" auf, das sind durch Alkohol bedingte Geistesstörungen, Halluzinationen, psychosomatische und psychasthenische Reaktionen.

35. Trinken mit Personen unter Niveau

Der Verlust der Moral und oft auch der Verlust der eigenen sozialen Stellung bewirken häufig, daß der Alkoholiker nach dem Motto: "Unter den Blinden ist der Einäugige König" mit Personen weit unter seinem Niveau trinkt, oder allgemeiner: mit Personen mit denen er sonst im Leben kaum Kontakt suchen würde.

36. Zuflucht zu technischen Produkten

Wenn der Alkoholiker nichts anderes hat oder seine finanziellen Mittel nicht mehr ausreichen, nimmt er zur Befriedigung seiner Gier Zuflucht zu technischen Produkten, wie Kölnisch Wasser oder Haarwasser Franzbranntwein oder minderwertigem Wermut.

37. Verlust der Alkoholtoleranz

Geistige und körperliche Widerstandskraft sind abgebaut, der Alkoholiker benötipt keine große Menge mehr, um in den Vollrausch zu kommen. Jedoch der Vollrausch wird in seiner Wirkung immer kürzer. Das Trinken wird daher immer hektischer, der circulus vitiosus rotiert immer schneller.

38. Undefinierbare Ängste und Zittern

39. werden Dauererscheinungen

Anhaltendes Zittern (Tremor), ständige Niedergedrücktheit (Depression), Angstzustände (traumatische Neurosen) sind in diesem Stadium Symptome beim Alkoholiker, die auftreten, sobald in seinem Organismus kein Alkohol mehr vorhanden ist. Die ersten prädeliranten Zustände treten auf. Diese Zustände versucht der Alkoholiker dann wiederum mit Hilfe von Alkohol unter Kontrolle zu bekommen bzw. sie damit zu überspielen.

40. Organische Nervenschadigungen (Polyneuropathie)

Infolge der chronischen Alkoholintoxikation (Vergiftung) treten länger dauernde Schädigungen des

peripheren Nervensystems auf, die also auch noch nach dem Entzug Störungen verursachen: Kribbeln und Taubheitspefühle (sensibles Nervensystem), Greif- und Gangstörungen (motorisches Nervensystem) - vorwiegend in Händen, Armen, Füßen, Beinen.

41. Trinken wird Besessenheit

Aus der Notwendigkeit heraus, Angste, Zittern, Hemmungen usw. zu überwinden, sieht der Alkoholiker sich gezwungen, ständig zu trinken. Damit nimmt sein Trinken den Charakter der Besessenheit (Obsession) an.

42. Unbestimmte religiöse Wünsche

Da der Alkoholiker für sein Fehiverhalten, das er allmählich als solches erkannt hat, immer weniger eine Erklärung findet, gibt er sich dubiosen, religiösen" Vorstellungen hin, die sich bis zum "religiösen Wahn" steigern können.

43. Das Erklärsystem versagt

Aber auch die vorerwähnten "religiösen Vorstellungen und Wünsche" vermögen dem Alkoholiker keine Antwort auf seine ständige Frage nach dem "Warum" zu geben. Die Erklärungen, die er sich aus seinem eigenen "Erklärsystem" gibt, werden so häufig und unbarmherzig der Wirklichkeit gegenübergestellt, daß sie vollständig versagen. Er weiß sich keine Antwort mehr und gesteht seine Niederlage ein.

44. Zusammenbrüche

Als Folge dieser Niederlagen ergeben sich für den Alkoholiker seelische Zusammenbrüche, oft verbunden mit der "alkoholischen Epilepsie". Diese Zusammenbrüche sind oft so schwerer Natur, daß die ärztliche Behandlung unbedingt notwendig ist. Selbstmordversuche sind in diesem Stadium nicht selten.

45. Alkoholdelirium

Beim Alkoholiker tritt - meist im Entzug - ein hochgradiger Verwirrtheitszustand auf, mit Wahnideen und schwerer motorischer Unruhe (evtl. mit Fieber verbunden; der Ausgang kann tödlich sein). Wird in dieser Stufe (Endstufe) das Stadium der Korsakow'schen Erkrankung erreicht, ist die Zerstörung der Gehirnzellen irreparabel.

Korsakow-Syndrom: psychischer Folgezustand nach schweren toxischen, infektiösen, traumatischen oder arteriosklerotischen Hirnschädigungen.

Symptomkomplex, der gekennzeichnet ist durch hochgradige Störungen der Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Auffassung und Reproduktion sowie Gedächtnisausfälle, die durch Erinnerungsfälschungen (Konfabulationen) ersetzt werden; daneben zeitliche und örtliche Desorientierung, euphorische, später stumpfe und gleichgültige Stimmungslage, InitiativIosigkeit und rasche Ermüdbarkeit.

Der Alkoholische Korsakow (Korsakow-Psychose) beginnt meist mit einem Delirium tremens und ist oft verbunden mit der alkoholischen Polyneuropathie (s. Punkt 40).