Sahel: Weidenomadismus und Wüstenausbreitung (Desertification)

 

Sahelzone [arab./griech.], Übergangszone vom eigtl. Wüstengebiet der Sahara zur Dornstrauchsavanne.

 


INHALT

1. Physikalisch-geographische Lage der Sahelzone

1.1 Geographische Lage

1.2 Klima (Niederschlag, Temperatur)

1.3 Bodenart

1.4 Natürliche Vegetation

2. Poltisch-historische Entwicklung

3. Landwirtschaftliche Nutzung

2.1 Nomadismus, Halbnomadismus

2.2 Getreide und Feldfrüchte Anbau

2.3 Abholzung

4. Erosion

5. Desertification und die daraus folgende Problematik

6. Mögliche Gegenmaßnahmen

Literaturverzeichnis

 


 

 1. Physikalisch-geographische Lage der Sahelzone

1.1 Geographische Lage:

Die Sahelzone ist ein breiter Gürtel am südlichen Sahararand, der sich vom Atlantik bis zum Roten Meer ausdehnt. Die Fläche der Sahelzone beträgt ca. 3 Mil. km² und erstreckt sich über die Länder: Senegal, Mauretanien, Mali, Niger, Tschad, Sudan, Äthiopien, Djubouti und Somalia.

(Folie: Klimakarte der Erde, Ernst Klett Verlag, 1980)

 

1.2 Klima

In der Sahelzone herrscht das aride (=Verdunstung ist stärker als der Niederschlag) und semiaride (nur in einigen Monaten ist die Verdunstung um ein Vielfaches größer, im Durchschnitt ist die Verdunstung jedoch geringer als der Niederschlag) Warmtropenklima. Die Niderschlagsmenge beträgt im Schnitt ca. 200-300 mm mit einer Abweichung von 30-50%. Sahel ist gekennzeichnet durch die Niederschlagsarmut und die Unregelmäßigkeiten der Niederschläge. Der monsunale Sommerregen im Juli und August verteilt sich sehr unregelmäßig übers Land. Es gibt im Gegensatz dazu regelmäßige Dürreperioden.

Die durchschnittliche Temperatur im Winter ist ca. 18°-25°, im Sommer steigt sie auf ca. 25°-30°.

(Folie I, II: Mittlere Variabilität der Niederschläge im Sahel, GR 1986/11)

 

1.3 Bodenart

Im Sahel gibt es vorwiegend lockere Sandböden, die zur Versalzung neigen und erosionsanfällig sind, außerdem ist die Wasserspeicherung dieser Bodenart minimal.

 

1.4 Natürliche Vegetation

Die Vegetation der Sahelzone besteht aus Halbwüste(nördlicher Teil) und Dornstrauchsavanne(südlicher Abschnitt der Sahel).

Die mangelhafte Pflanzendecke der Halbwüste besteht fast nur aus vereinzelten niedrigen Dornsträuchern.

In der Dornstrauchsavanne findet man hauptsächlich niedrige xeromorphe (an Trockenheit angepaßte) Grasfluren. Die Gräser sind schmal, hartblättrig und stehen weit auseinander. Sie ergrünen in der Regenzeit und verdorren in den Dürreperioden. Die Holzgewächse in dieser Region sind 1-3m hohe Sträucher, Dornbäume, die bis 8m hoch werden können und einzel oder gruppenweise wachsen und Affenbrotbäume (Baobab).

(Folie1,2: Dornsavanne, Ernst Klett Verlag, 1980)

(Diese Angaben wurden zusammengestellt aus: Diercke Weltatlas,1992; Bertelsmann Universal Lexikon,1993; Meyers Kontinente und Meere, Afrika1968)


2. Politisch-historische Entwicklung

Die Kultivierung der Sahelzone begann mit dem Nomadismus. Die ursprüngliche Bedeutung der Nomaden war Händler oder treffender "Transportunternehmer", wobei ihre Viehherden hauptsächlich aus Lasttieren wie Kamelen oder Pferden bestanden. Mit der Zeit entwickelte es sich zum Weidenomadismus. Die Herden bestanden nun aus Ziegen und Rindern. Es existierten bestimmte traditionelle Weide- und Brunnenrechte, die von der Bevölkerung eingehalten wurden. Diese Rechte bestimmten Land- und Wasserstellen, die nur als Reserve in den Trockenzeiten benutzt wurden. Um ihre Ernährung zu sichern und Ausrüstung zu bekommen waren sie auf den Handel mit Ackerbauern angewiesen, daher wurden mehr tierische Produkte erzeugt, als nötig. Dennoch hielt sich das im etwas labilen Gleichgewicht mit dem Ökosystem der Sahelzone. Die Natur regelte durch die Dürreperioden sowohl den Viehbestand als auch die Bevölkerungsdichte.

(Folie3,4: Dornsavanne, Ernst Klett Verlag, 1980)

Seit den 60-er Jahren versuchte man die Trockensavanne für die Agrarwirtschaft zu kultivieren. Man förderte den Anbau von devisenbringenden Feldfrüchten ("Cash Crops") in günstigeren Gebieten, also auf dem Reserveland, das auch in Trockenzeiten benutzbar war. Man versuchte die Natur durch chemische Düngemittel, mechanische Landbaugeräte und Tiefbrunen zu überlisten. Die Folge war ein rasanter Anstieg der Bevölkerungsdichte, und damit der immer größer werdende Bedarf an Getreide und Feldfrüchten, auch der Viehbestand expandierte. Denn die Herde eines Nomaden ist sein Vermögen, eine hohe Kopfzahl bedeutet existentielle Sicherheit, eine hohe gesellschaftliche Stellung, Prestige und Ansehen.

Die Reserven wurden verbraucht, das Grundwasser ist gesunken. Der gravierende Eingriff in die Natur kippte das bereits sehr labile Gleichgewicht. Eine Dürreperiode setzte 1968 ein und dauerte bis 1974. Der Bestand der Herden reduzierte sich wegen Futter und Wassermangel um 60-80%(bei einigen Tuaregstämmen sogar um 90%). Die Ernte war kaum die Hälfte des gewohnten Durchschnitts (bei anspruchsvollen Feldfrüchten noch weniger).

Resultierend war die größte Hungersnot, die die Bevölkerung in diesen Gebieten ehemals erlebt hat.

(Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1979)


 

 3. Landwirtschaftliche Nutzung

3.1 Nomadismus, Halbnomadismus

Der Nomadismus ist eine der ältesten Witrschaftsformen. Da in Trockengebieten wie die Sahelzone nur eine spärliche Vegetation vorhanden ist, müssen die Viehherden regelmäßig die Weideorte wechseln. Es gibt zwei Arten des Nomadismus:

I. Vollnomadismus: Die Herde und die Menschengruppe wandern ohne längere feste Niederlassungen. Dies Nomaden betreiben ausschließlich Viehhaltung. Dies ist die seltenere Form des Nomadismus.

II. Halbnomadismus: Ein bestimmter Teil des Stammes geht auf die Wanderung, während der Rest (Frauen, Kinder, Ältere) ein einem festen Siedlungsort bleiben und Ackerbau betreiben. Die Wanderungen sind von unterschiedlicher Dauer und Häufigkeit. Wenn das Futter um den Siedlungsort nicht mehr ausreicht, Suchen die Männer mit den Herden weitere nahe gelegene Wasser und Futterstellen.

Bei durchschnittlichem Niederschlag von 150-200mm ist der Weideflächenbedarf einer Ziege oder eines Schafes 10-20ha.

(Ulrich Kümmerle und Norbert von der Ruhren 1995)

(Folie III: Die verschiedenen Formen des Nomadismus, Ulrich Kümmerle und Norbert von der Ruhren, 1995)

 

Nachdem die Zahl der Herden stark gestiegen ist reichen die Weideflächen nicht aus. Die Weiden werden ungeregelt und übermäßig genutzt. Die Zeitfrist für den Wiederaufbau der natürlichen Vegetation wird nicht eingehalten. Es kommt zum Verzehr der Pflanzen vor deren Samenreife, dadurch werden Pflanzenarten mit langer Vegetationsperiode immer mehr von den Randwüstenarten verdrängt. Diese Pflanzen haben eine kurze Vegetationsperiode und sind ungenießbar für die Tiere. Es erfolgt eine Artenverarmung. Zusätzlich beansprucht der Ackerbau nun die günstigsten ehemaligen Weideflächen. Wenn die Grasflächen nicht ausreichen, wird auf das Laub der Büsche und der Holzgewächse zurückgegriffen.

(Dieter Klaus, 1986)

 

2.2 Getreide und Feldfrüchte Anbau

Auch in der Dornstrauchsavanne wird Wanderfeldbau = Shifting cultivation betrieben.

"Die Vegetation wird bis auf den Baumbestand entfernt. Anbau wird bis zur Boden-erschöpfung in 2 bis 5 Jahren durchgeführt, dann schließt sich eine 12- bis 20jährige Brache an." (Dieter Klaus, 1986)

Angebaut werden vorwiegend "Cash Crops", die exportgeeigneten Feldfrüchte.

Es sind hauptsächlich Erdnüsse und Baumwolle, weil sie das trockene Klima vertragen. Außerdem wird auch Hirse angebaut. Für den Anbau der "Cash Crops" werden Düngemittel und Herbizide(=Unkrautvernichtungsmittel) benutzt, dies belastet stark das ökologische Gleichgewicht, zusätzlich werden auch Landbaugeräte eingesetzt.

Um das Risiko in Dürreperioden zu minimieren, werden nicht nur die günstigen Anbaugebiete bestellt, sondern auch die umliegenden Felder, die nur in regenreicheren Jahren

Erträge bringen. Nach den ersten Niederschlägen bestellt der Bauer die umliegenden Felder mit mehreren Feldfrüchten, die unterschiedliche Vegetationsperioden haben. Nach den weiteren Niederschlägen werden die Gunststandorte mit der Haupterntefrucht mit kurzer Vegetationsperiode bestellt. Wenn das Jahr regenreich wird, so hat der Bauer hohe Ernteerträge und somit auch Vorrat für die trockenen Jahre, wenn nur die günstigen Felder Erträge bringen.

(Dieter Klaus, 1986)

 

 2.3 Abholzung

Der Baumbestand der Savanne wird vielfältig verwendet. Das Laub dient als Futter für die Tiere, wenn die Grasflächen abgeweidet sind, oder es wird zu Mulch für die Düngung der Felder verarbeitet. Hauptsächlich wird es jedoch von den Bewohnern der Savanne zum Bau der Hütten und als ein Energielifferant benutzt.

(Dieter Klaus, 1986)

 


 4. Erosion

 

Die Abtragungen der Böden in der Sahelzone haben viele Ursachen.

1. Die Pflanzendecke der Dornstrauchsavanne wird durch die übermäßige Weidenutztung irreversibel wüstenhafter. Denn die Pflanzen mit mehrjähriger Vegetationsperiode, die die Böden tiefgründig durchwurzeln und zusammenhalten, werden durch die Überweidung "ausgerottet". Die einjährigen Wüstenarten durchwurzeln den Boden nur oberflächlich, und bieten damit keinen Schutz vor der Abtragung, der trockenen Sandböden. Auch die Bepflanzung an Zugängen zu Wasserstellen, sowohl den Natürlichen als auch den künstlich angelegten Tiefbrunnen, wird durch die Viehherden regelmäßig zertrampelt. Zusätzlich werden diese Wege verengert, um das Land für den Ackerbau zu nutzen. Die fehlende Pflanzendecke begünstigt den Erosionsprozes.

2. Auf den durch Ackerbau ausgelaugten Böden dominieren die anspruchslosen Wüstenarten, der Oberboden wird durch Wind und heftige Regenfälle abgetragen.

3. Durch die Abholzung fehlt nicht nur das den Boden haltendes Wurzelwerk, sondern auch der Schatten der Bäume, der die Erde vor der prallen Sonne und Austrocknen schützte.

Fazit:

Durch die Vegetationsverarmung und -Vernichtung ist die Veränderung der Savanne zur Halbwüste langfristig irreversibel.

(Dieter Klaus, 1986)


 

5. Desertification und die daraus folgende Problematik

Durch die unvorhersehbaren Niederschlagsschwankungen und die ständig fortschreitende Erosion erstreckt sich die Wüste immer weiter in den Süden.

Die fruchtbaren Böden werden abgetragen, es entstehen Wüsteninseln innerhalb der Sahelzone. Diese Flächen sind unbrauchbar, da sich dort nur wüstenhafte Vegetation durchsetzen kann. Deswegen wird der Ackerbau und die Weideflächen verlegt, die landwirtschaftlichen Bemühungen konzentrieren sich auf ein anderes Gebiet, bis dieses irreparabel zur Wüste wird. Je weniger Land die Bevölkerung hat um so schwieriger wird die Selbstversorgung, außerdem befindet sie sich immer noch im stetigen Wachstum, zusätzlich kommt die Abhängigkeit vom Weltmarkt durch "Cash Crops". Um die Handelsbilanz zwischen Import und Export auszugleichen, müssen immer größere Flächen mit "Cash Crops" angebaut werden.

Es entsteht ein Teufelskreis: je mehr fruchtbares Land zerstört wird, um so mehr Land braucht man. Je mehr Land man braucht, um so mehr Land wird zerstört.

Eine weitere wichtige Folge der Desertification ist die Landflucht. Die Landbevölkerung verarmt durch den Verlust der Acker- und Weideflächen, die internationalen Nahrungsmittelhilfen sind meist nur in Großstädten verfügbar. Da aber der Ackerbau im Sahel sehr arbeitsintensiv ist, fehlen Arbeitskräfte auf dem Land. Die Kinder sind dort die praktischste und finanziell einfachste Lösung für das Problem.

"Der Desertifikationsprozeß beschleunigt demnach die Verarmung der ländlichen Bevölkerung, wodurch die Landflucht erhöht, der Arbeitskräftemangel auf dem Land verstärkt und das natürliche Bevölkerungswachstum gesteigert wird." (Dieter Klaus, 1986)

Es wäre durchaus möglich, das sich dieser Teufelskreis in eine Emigrationswelle ausartet. Die Enwanderungsziele sind natürlich die reichen Industriestaaten. Um der Problematik einer großen Einwanderunswelle vorzubeugen, ist eine sinnvolle Entwicklungshilfe für diese Staaten nötig.

(Dieter Klaus, 1986)

 


 6. Mögliche Gegenmaßnahmen

Die Desertifikation ist unumkehrbar, aber man kann sie durch eine angepaßte Landwirtschaft minimieren.

Bsp. West Senegal: Sererstämme

Diese Stämme verknüpfen Ackerbau. Viehhaltung und Holzproduktion mit Hilfe eines bestimmten Baumes "Acacia albida". Die Eigenart dieses Baumes bestehe in seinem umgekehrten Vegetationszyklus. In der Regenzeit, wenn die Pflanzenperiode für Feldfrüchte beginnt, verliert er seine Blätter und sorgt somit für die Düngung vom Ackerland. In der Trockenzeit treibt er Blätter spendet Schatten und trägt Früchte, die als Futter für das Vieh verwendet werden. Die Zweige die abgeschlagen werden, dienen als Brennholz. Zusätzlich wird der Mist von der Viehhaltung als Dünger benutzt.

(Thomas Krings, 1988)

Wenn die Desertifikation minimiert wird, vermindert sich auch die Landflucht. Durch Projekte wie Dorfgärten, die ausschließlich für die Eigenversorgung bebaut werden, wird die Armutsgrenze etwas gesenkt.

Es gäbe bestimmt auch Möglichkeiten die Welmarktabhängigkeit zu vermindern, und durch angepaßte Bewässerungsprojekte weiteres Land zu kultivieren, aber das alles ist viel zu kostspielig.

Auch die besten Gegenmaßnahmen nützten nichts, wenn sie nicht großflächig verwirklicht werden. Doch das können die Entwicklungsländer kaum finanzieren.


 

Literatur Verzeichnis:

 

Bertelsmann Universal Lexikon (1993); Bertelsmann Lexicon Verlag GmbH; Güttersloh

Diercke Weltatlas (1992)³; Westermann Schulbuchverlag GmbH; Braunschweig

Foliensammlung (1980); Ernst Klett Verlag GmbH und Co, KG; Stuttgart

Klaus, Dieter (1986): "Desertifikation im Sahel".

In: "Geographische Rundschau" 38 H.11, S. 577-583; Braunschweig (Westermann)

Krings, Thomas (1988): "Standortgerechte Landwirtschaft in Afrika".

In: "Geographische Rundschau" 40 H.6, S. 49-50; Braunschweig (Westermann)

Kümmerle, Ulrich und von der Ruhren, Norbert (1995): Nutzungssysteme in den wechselfeuchten Tropen.

In: Fundamente: Kursthemen: Dritte Welt. Entwicklungsträume in den Tropen; Stuttgart (Ernst Klett Schulbuchverlag GmbH)

Meyers enzyklopedisches LexiKon, 1979: Band 21; Lexikonverlag Bibliographisches Institut AG; Mannheim

Meyers Kontinente und Meere, Afrika (1968) Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG; Mannheim

MEYERS LEXIKON, LexiROM 1.0 (1995); Microsoft Corporation und Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG; Mannheim